Die Zukunft der GKV-Finanzen - Gesundheitsökonom sieht Reformbedarf

News-Artikel vom: 12.08.2023

Auch wenn die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenkassen aktuell zufriedenstellend ist, gelöst sind die Finanzprobleme im gesetzlichen Gesundheitssystem nicht. Wie kann eine auskömmliche GKV-Finanzierung nachhaltig sichergestellt werden? Mit dieser Frage befasst sich ein Interview der TK Techniker Krankenkassemit dem Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Wolfgang Greiner.

Für Greiner hat die Politik eine Reform der Krankenkassen-Finanzen zehn Jahre lang verschlafen. In der zweiten Dekade dieses Jahrtausends seien die Einnahmen in der GKV dank einer guten Konjunktur überproportional gestiegen. Deshalb wurde seitens der Politik wenig Reformbedarf gesehen. In den heutigen Zeiten des konjunkturellen Abschwungs zeige sich aber deutlich, wie abhängig die Einnahmen von der wirtschaftlichen Entwicklung seien. Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie hätten die finanzielle Situation zusätzlich verschärft.
 

Neue Ausgaben nur bei Einsparungen - Regelung der Steuerfinanzierung 

Jetzt müsse wieder genauer geschaut werden, wie sich die Ausgaben entwickelten. Es sei dringend nötig, die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen wieder an die Einnahmen anzupassen. Das bedeute zwangsläufig, dass neue Angebote zur besseren medizinischen Versorgung nur dann umgesetzt werden könnten, wenn auch entsprechende finanzielle Spielräume vorhanden seien. Würde an einer Stelle zusätzliches Geld ausgegeben, müsse gesagt werden, wo anderer Stelle gespart werden solle.

Es sei außerdem dringend notwendig, die Finanzierung des Gesundheitsfonds aus Steuermitteln grundsätzlich neu zu regeln. Greiner hat dabei vor allem auf die Gesundheitskosten für Bürgergeld-Empfängerim Blick. Dabei handele es sich um versicherungsfremde Leistungen, die steuerfinanziert werden müssten. Bürgergeld-Empfänger erhielten Transferleistungen vom Staat und das Solidarsystem der GKV dürfe nicht dazu missbraucht werden, den Staat von der Pflicht zur Unterstützung dieser Personengruppe zu entlasten.
 

Demografischer Wandel - Effizienzreserven heben reicht alleine nicht 

Alleine mit der Hebung von Effizienzreserven seien die Finanzierungsprobleme in der GKV nicht zu lösen. Diese hingen eng mit der demografischen Entwicklung zusammen. In Zukunft sei mit einem immer größeren Teil an älteren Patienten zu rechnen, die auf innovative und zugleich teure medizinische Behandlungen angewiesen seien. Viel könne mit einer neuen Krankenhausstruktur erreicht werden, die weniger aber qualitativ bessere Krankenhäuser umfasse.

Etliche stationäre Behandlungen könnten auch ambulant erfolgen und die Chancen der Digitalisierung seien längst nicht ausgeschöpft. Ein Hindernis bei der Digitalisierung sei, dass zunächst viel Geld in die Hand genommen werden müsse, um die nötigen Investitionen darzustellen. Ein weiterer Beitrag zu mehr Effizienz sei eine Förderung des Wettbewerbs unter den Krankenkassen. Greiner sieht hier Ansatzpunkte durch eine verstärkte Ausschreibung von Leistungen und eine direkte Ansprache von Versicherten.
 

Reform der GKV-Finanzen Dreh- und Angelpunkt für weitere Reformen 

Die Reform der GKV-Finanzen wird nach Einschätzung von Greiner ein Dauerthema bleiben, das die Politik über 2030 hinaus beschäftigt. Solle die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen im gesetzlichen Gesundheitssystem nicht immer weiter auseinanderklaffen, müsse konsequent gegengesteuert werden. Viele Maßnahmen wie die Krankenhausreform benötigten Zeit und es werde einige Jahre dauern, bis spürbare Effekte festzustellen seien. Die Reform der Krankenkassen-Finanzierung werde zum Dreh- und Angelpunkt für viele andere Reformvorschläge im Gesundheitswesen.

Prof. Dr. Wolfgang Greiner lehrt Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an der Universität Bielefeld. Er war von 2010 bis Anfang 2023 Mitglied im Gesundheits-Sachverständigenrat beim Bundesgesundheitsministerium.

 

 

ein kostenloses Angebot von
finanzen.de AG 
Schlesische Str. 29-30, 10997 Berlin 
Telefon: 030 31986 1910 | E-Mail: kontakt @finanzen.de


 

Beliebte Artikel zum Thema: