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Keine Politik nach dem Rasenmäher-Prinzip, sondern mehr Generationengerechtigkeit und Eigenverantwortung - das fordert der Ökonom Bernd Raffelhüschen von der Stiftung Marktwirtschaft. Er hat jetzt Vorschläge für eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung vorgelegt. Sie dürften Bundesgesundheitsminister Lauterbach wenig gefallen, denn sie folgen einer ganz anderen Linie als der bisher von ihm verfolgten Politik.
Nach Jahren üppig sprudelnder Einnahmen befindet sich das gesetzliche Gesundheitssystem bereits seit mindestens zwei Jahren in einer angespannten Finanzsituation. Die schlechtere Wirtschaftslage und die hohe Inflation tun ein Übriges dazu, dass die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen in der GKV immer weiter auseinanderklafft. Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat der Bundesgesundheitsminister zwar dafür gesorgt, dass die Krankenkassen in diesem Jahr eine ausgeglichene Bilanz vorlegen dürften. Über das Jahr hinaus werden die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen aber kaum reichen. Lauterbach musste sich daher auch schon den Vorwurf des „Löcherstopfens“ anhören, ohne ein tragfähiges Konzept zu haben.
Generation der Baby-Boomer in der Verantwortung
In seinen Vorschlägen für eine nachhaltigere GKV-Finanzierung stellt Raffelhüschen das Verursachungsprinzip in den Mittelpunkt. Er hat dabei besonders die Generation der sogenannten Baby-Boomer im Blick. Sie sei hauptverantwortlich für die Schieflage der Finanzen im gesetzlichen Gesundheitssystem - zum einen weil sie altersbedingt überproportional viele Gesundheitsleistungen in Anspruch nehme, zum anderen weil sie nicht für genügend Nachwuchs gesorgt habe, um künftig ausreichend Beitragseinnahmen zu garantieren. Es sei daher nur gerecht, die Baby-Boomer-Generation für die Lösung der Finanzprobleme in der GKV stärker in die Pflicht zu nehmen.
Selbstbehalte, Wegfall der Zahnarztleistungen, „unternehmerische“ Krankenhäuser
Konkret schlägt Raffelhüschen vor,
- die zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen aus dem Leistungskatalog der GKV herauszunehmen. Zahnversorgung müsste dann komplett über private Zahnzusatzversicherungen abgedeckt werden;
- für ambulante Behandlungen sollte ein Selbstbehalt eingeführt werden;
- im Krankenhausbereich müssten wettbewerbliche und ordnungspolitische Regeln nach marktwirtschaftlichen Prinzipien gelten. Es sei notwendig, dass Krankenhäuser mehr als Unternehmen arbeiten. Die von Lauterbach vorgelegte Krankenhausreform zielt in genau die entgegengesetzte Richtung.
Beim Selbstbehalt schwebt dem Ökonomen eine Staffelung vor. Der selbst zu zahlende Betrag für ambulante Behandlungen könnte bei 300 Euro beginnen und bei 1.800 Euro bis 2.000 Euro gedeckelt werden. Raffelhüschen verspricht sich vom Selbstbehalt nicht nur eine unmittelbare Entlastung der GKV-Finanzen, sondern auch eine mittelbare Steuerungswirkung - Versicherte würden dadurch stärker motiviert, nur dann medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen, wenn sie notwendig sind.
Soziale Pflegeversicherung - Nachhaltigkeitsfaktor oder Karenzzeit
Für die soziale Pflegeversicherung denkt Raffelhüschen an die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors in der Beitragsfinanzierung. Er soll das sich durch den demografischen Wandel bedingte, sich ändernde Verhältnis zwischen Pflegebedürftigen und Beitragszahlern berücksichtigen. Alternativ schlägt der Ökonom eine „Karenzzeit“ vor. Das erste Jahr der Pflegebedürftigkeit wäre demnach aus eigener Tasche zu finanzieren. Pflegebedürftige ohne ausreichend Vermögen könnten über Sozialleistungen unterstützt werden.
Raffelhüschen glaubt, dass es bei einer Umsetzung dieser Vorschläge möglich sei, die Krankenversicherungsbeiträge langfristig bei rund 15 Prozent zu halten. Das Konzept entspricht der wirtschaftsliberalen Ausrichtung der Stiftung Marktwirtschaft. Die 1982 gegründete Denkfabrik will mit „ordnungspolitischen Reformkonzepten“ einen Beitrag zur „Weiterentwicklung einer freiheitlichen Ordnung in Deutschland und in Europa“ leisten.