Die gesetzliche Pflegeversicherung war von Anfang an nicht auf Deckung aller Kosten hin konzipiert. Schon als sie 1995 eingeführt wurde, war klar, dass sie im Pflegefall nur einen mehr oder weniger großen Teil der tatsächlichen Kosten würde übernehmen können. Um die verbleibende „Pflegelücke“ zu schließen, bieten Versicherer seither private Pflegezusatzversicherungen an - daran hat sich bis heute nichts geändert.
Unter bestimmten Bedingungen werden solche Versicherungen sogar staatlich gefördert. Für die Förderung hat sich der Name „Pflege-Bahr“ eingebürgert - nach dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (2011 bis 2013), unter dessen Ägide die Maßnahme eingeführt worden war. Seit 2013 kann die Förderung genutzt werden. Rechtsgrundlage bildet das 2012 beschlossene Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz. Um „Pflege-Bahr“ soll es hier gehen.
Das Grundkonzept der Pflege-Förderung
Die Förderung erfolgt über Zuschüsse, mit denen die Beiträge zur privaten Pflegezusatzversicherung unterstützt werden. Gefördert werden ausschließlich Pflegetagegeld- oder Pflegemonatsgeldversicherungen. Bei diesem Versicherungsmodell erhält der Versicherte im Pflegefall einen vereinbarten festen Tages- oder Monatssatz ausgezahlt - und zwar unabhängig von den tatsächlichen Pflegekosten.
Im Rahmen der Förderung werden Zuschüsse bis zu fünf Euro im Monat gezahlt, maximal 60 Euro im Jahr. Voraussetzung ist, dass der Versicherungsnehmer einen Eigenbeitrag von mindestens zehn Euro im Monat zur Versicherung leistet. Die Förderung ist sonst unabhängig von der Prämienhöhe und auch vom Einkommen des Versicherten. Im günstigsten Fall übernimmt der Staat damit ein Drittel der Kosten für die private Pflegezusatzversicherung.
Was muss sonst noch für eine Förderung erfüllt sein?
Nicht jede Pflegetagegeld- oder Pflegemonatsgeldversicherung erfüllt automatisch die Voraussetzungen für eine Förderung. Die Produkte müssen vielmehr bestimmte Ausgestaltungsmerkmale aufweisen, um „förderwürdig“ zu sein. Hier die wichtigsten im Überblick:
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Es darf bei der Beantragung keine Gesundheitsprüfung stattfinden. Damit entfallen automatisch Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse. Der Beitrag hängt ausschließlich vom Eintrittsalter ab. Die Volljährigkeit ist Voraussetzung für den Abschluss, ebenso darf bei Vertragsschluss noch keine Pflegebedürftigkeit bestehen.
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Die Versicherung muss nach Pflegegraden gestaffelte Leistungen bieten. Dabei sind Ober- und Untergrenzen zu beachten. Die Leistung darf nicht höher sein als die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung im jeweiligen Pflegegrad. Sie muss aber monatlich mindestens folgende Beträge zahlen:
Pflegegrad 1
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Pflegegrad 2
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Pflegegrad 3
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Pflegegrad 4
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Pflegegrad 5
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60 Euro
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120 Euro
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180 Euro
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240 Euro
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600 Euro
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Der Eigenbeitrag des Versicherten muss mindestens zehn Euro im Monat (mindestens 120 Euro im Jahr) betragen. Eine Dynamisierung des Beitrags mit automatischen Anpassungen entsprechend der Inflationsrate ist zulässig, aber nicht zwingend.
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Wartezeiten bis zum Eintritt des Leistungsfalls dürfen nicht länger als fünf Jahre betragen.
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Versicherte mit finanziellen Problemen sind berechtigt, den Vertrag bis zu drei Jahre beitragsfrei ruhen zu lassen oder vorzeitig zu kündigen.
Laufzeit und Kündigung
Wie normale Pflegetagegeldversicherungen sehen Pflege-Bahr in der Regel keine festen Laufzeiten der vor. Der Vertrag wird zunächst auf (mindestens) ein Jahr abgeschlossen und verlängert sich ohne Kündigung nach Ablauf des Versicherungsjahres automatisch um weitere zwölf Monate, danach wieder um zwölf Monate und so fort. Ordentliche Kündigungen sind möglich, eine Kündigungsfrist von drei Monaten ist üblich. Daneben besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht, zum Beispiel wegen Beitragserhöhungen oder persönlicher finanzieller Schwierigkeiten. Mit dem Wirksamwerden der Kündigung endet der Vertrag, es können dann keine Leistungen mehr daraus in Anspruch genommen werden. Bereits gezahlte Beiträge werden nicht zurückerstattet.
Was, wann und wieviel leistet die Versicherung?
In der Regel handelt es sich bei Pflege-Bahr-Versicherungen um Pflegetagegeldversicherungen. Pflegemonatsgeldversicherungen sind seltener, funktionieren aber nach dem gleichen Prinzip. Der Versicherungsfall tritt ein, wenn Pflegebedürftigkeit festgestellt wird. Die Versicherung zahlt dann pro Pflegetag (Pflegemonat) den im Vertrag vereinbarten Geldbetrag für den jeweiligen Pflegegrad. Die Pflegetagegeldversicherung ist damit ähnlich konstruiert wie die private Krankentagegeldversicherung.
Es ist dabei unerheblich, in welcher Höhe tatsächlich Pflegekosten anfallen und welcher Art diese sind. Da unabhängig von den Kosten gezahlt wird, müssen gegenüber der Versicherung auch keine Nachweise über Pflegeleistungen vorgelegt werden. Die Pflegebedürftigkeit selbst ist natürlich zu belegen – zum Beispiel anhand einer Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen.
Wartezeiten sind bei Pflege-Bahr-Versicherungen üblich. Möglich sind laut Gesetz bis zu fünf Jahre. Dieser Zeitraum wird von manchem Anbieter auch ausgeschöpft. Fünf Jahre Wartezeit bedeutet, dass eine Leistung frühestens nach dem Ablauf von fünf Jahren erfolgt. Tritt die Pflegebedürftigkeit früher ein, zahlt die Versicherung bis zum Ende des Fünf-Jahres-Zeitraums nicht. Eine Ausnahme gilt nur bei unfallbedingter Pflegebedürftigkeit. Hier zahlt die Versicherung sofort.
Wie funktionieren Beantragung und Zuschuss-Zahlung?
Die Förderung kann pro Person nur für einen einzigen Pflegezusatzvertrag in Anspruch genommen werden. Dabei ist der Versicherungsnehmer theoretisch in der Pflicht, die Förderung selbst zu beantragen. In der Praxis übernimmt das aber fast immer die Versicherung. Sie erhält bei Vertragsabschluss eine entsprechende Vollmacht und erledigt dann alle Formalitäten. Für die Förder-Abwicklung ist die „Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen“ in Berlin zuständig. Sie überweist den Zuschuss direkt an die Versicherung.
Der Zuschuss wird einmal jährlich ausgezahlt. Da die Beiträge oft auf Monatsbasis zu leisten sind, entstehen durch den unterschiedlichen Zahlungsrhythmus Deckungslücken. Hier geht die Versicherung üblicherweise in Vorleistung und verrechnet diese anschließend mit der Zulage. So wird der Ausgleich hergestellt. Durch diese Verfahrensweise kommen Versicherungsnehmer mit der eigentlichen Förderung kaum in Berührung.
Pflege-Bahr in der Steuererklärung
Die Beiträge für eine private Pflegezusatzversicherung könnengrundsätzlichals sonstige Vorsorgeaufwendungen bei der Einkommensteuer-Erklärung angesetzt werden. Das gilt auch für Pflege-Bahr-Verträge. Ansetzbar sind natürlich nur die Eigenbeiträge, nicht die staatlichen Zuschüsse.
Ob ein Steuerentlastungs-Effekt eintritt, hängt davon ab, ob die Obergrenzen für die Geltendmachung von sonstigen Vorsorgeaufwendungen (1.900 Euro bei Arbeitnehmern, 2.800 Euro bei Selbständigen) bereits ausgeschöpft sind oder nicht. In vielen Fällen findet eine Ausschöpfung bereits im Rahmen des Ansatzes der regulären Kranken- und Pflegeversicherungs-Beiträge statt. Eine weitere Steuerentlastung ist dann nicht mehr möglich.
Leistungen aus der Pflegetagegeldversicherung stellen keine steuerpflichtigen Einkünfte dar. Das gilt auch im Hinblick auf Pflege-Bahr-Verträge. Das Geld steht daher „netto“ zur Verfügung.
Pflege-Bahr oder ungeförderter Vertrag – was ist sinnvoll?
Da bei den staatlich geförderten Verträgen keine Gesundheitsprüfung stattfindet, sind Pflege-Bahr-Verträge auch für Menschen mit schon bestehenden Vorerkrankungen zugänglich. Bei „normalen“ Pflegetagegeldversicherungen fallen in diesem Fall entweder Risikozuschläge an, Leistungen werden ausgeschlossen oder der Antrag wird ganz abgelehnt. Pflege-Bahr bietet eine echte Alternative dazu.
Je später man die Versicherung abschließt, umso höher fallen auch die Beiträge aus. Erfahrungsgemäß steigen die Beiträge nach dem 60. Lebensjahr überproportional an. Auch mit staatlicher Zulage kann der Versicherungsschutz dann recht teuer werden. Die Konsequenz lautet: ob gefördert oder ungefördert - privater Pflegezusatzschutz sollte möglichst früh beginnen.
Natürlich hat der Verzicht auf die Gesundheitsprüfung bei Pflege-Bahr-Verträgen auch einen „Pferdefuß“. Da die Versicherer die Risikokosten gleichmäßig auf die Versicherten verteilen müssen und nicht über Risikozuschläge differenzieren können, fallen die geförderten Verträge für „risikoarme“ Versicherte im Schnitt teurer aus als ungeförderte. Ob das durch die Zulage aufgefangen oder sogar überkompensiert wird, ist ein Rechenexempel und hängt vom Einzelfall ab. Nicht selten sind jüngere und gesunde Versicherungs-Interessenten mit einem ungeförderten Vertrag besser bedient.
Auf jeden Fall sollten die Konditionen verglichen werden, denn es gibt am Markt eine erhebliche Bandbreite. Der staatliche Zuschuss ist kein Argument, beim Preis nicht genau hinzuschauen.