Man kennt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vor allem von der Werbung für Schutz gegen sexuell übertragbare Infektionskrankheiten und von Kampagnen gegen das Rauchen oder Alkoholmissbrauch. Jetzt macht die Behörde mit einer anderen Nachricht Schlagzeilen. Laut höchstrichterlichem Urteil ist die Zwangsfinanzierung der BZgA durch die GKV verfassungswidrig.
Die Bundeszentrale ist eine Bundesoberbehörde im Bereich des Bundesgesundheitsministeriums und damit eindeutig eine staatliche Einrichtung. Sie besteht in dieser Form seit 1967 und ist aus dem früheren deutschen Hygiene-Museum hervorgegangen. Aufgabe der BZgA ist, die Bevölkerung mit Aufklärungs-, Informations- und Werbekampagnen für Gesundheitsschutz, Prävention und mögliche Gesundheitsgefahren zu sensibilisieren.
Zwangsbeauftragung als Vehikel zur Finanzierungspflicht
Die gesetzlichen Krankenkassen sind seit 2015 verpflichtet, zur Finanzierung der BZgA beizutragen. Möglich wurde das durch das damals vom Bundestag beschlossene Präventionsgesetz. Das Gesetz verpflichtete den GKV-Spitzenverband, die BZgA mit „Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten“ zu beauftragen. Als „Gegenleistung“ muss der GKV-Spitzenverband seither jährlich rund 35 Mio. Euro zur Finanzierung der Behörde beisteuern. Die Zwangsbeauftragung diente als Vehikel, um die GKV bei der Finanzierung mit in die Pflicht zu nehmen.
Diese Regelung stieß von Anfang an bei den Krankenkassen und ihrem Spitzenverband auf heftigen Widerstand. Gefordert wurde, die Zwangsbeauftragung aufzuheben und die Krankenkassen unmittelbar für Gesundheitsförderung und Prävention sorgen zu lassen. Die 35 Mio. Euro könnten dann direkt zu diesem Zweck eingesetzt werden anstatt auf den Umweg über eine nachgeordnete Bundesbehörde. Als das Bundesgesundheitsministerium auf solche Einwände nicht reagierte, stellte der GKV-Spitzenverband seine Zahlungen ein. Das Ministerium wies den Verband daraufhin zur Zahlung an, daraus entspann sich ein Rechtsstreit, der jetzt vom Bundessozialgericht als höchster Instanz entschieden wurde.
Staat darf nicht GKV-Aufgaben einer Behörde übertragen
Die Richter gaben dem GKV-Spitzenverband vollumfänglich Recht. In dem vor wenigen Tagen ergangenen Urteil (BSG Urteil vom 18.5.2021 - Az. B 1 A 2/20 R) stellen die Richter fest, dass die strittigen Regelungen des Präventionsgesetzes gegen die „durch das Grundgesetz vorgeschriebene Verwaltung der Sozialversicherung durch eigenständige Körperschaften“ verstoßen. Die Zwangsbeauftragung und daraus folgend die Pflicht zur Beteiligung an der BZgA-Finanzierung sind demnach nicht zulässig. Der Staat dürfe nicht in die Selbstständigkeit der Krankenkassen eingreifen und ihre Aufgaben einer Behörde übertragen.
Die verfassungswidrige Regelung im Präventionsgesetz ist ein weiteres Beispiel dafür, wo die Abgrenzung zwischen Aufgaben und Zuständigkeiten der gesetzlichen Sozialversicherung - hier der Krankenkassen - und des Staates zunehmend unschärfer wird. In diesem Fall wird durch den Urteilsspruch des Bundessozialgerichts die Grenze wieder klarer gezogen. Es gibt aber noch manche andere Baustelle.
Zunehmend unschärfere Grenzen zwischen Staat und Sozialversicherung
Nicht selten übernehmen die Krankenkassen Aufgaben, die eigentlich Sache des Staates wären. Über die Finanzierung - ob aus Beiträgen der Kassenmitglieder oder aus Steuermitteln - gibt es dann regelmäßig Konflikte. Aufgabenzuweisung und Finanzierungslösungen beruhen häufig mehr auf politischen Überlegungen als auf sachlichen Gründen. Im Zusammenhang mit den Corona-Kosten dürfte sich das Problem weiter verschärfen.