
Nahrungsergänzungsmittel enthalten in konzentrierter Form und häufig hoch dosiert Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Fettsäuren oder Eiweißbestandteile. Ihre Einnahme soll Nährstoffdefizite im Rahmen der „normalen“ Ernährung ausgleichen, die Gesundheit fördern und mängelbedingten Erkrankungen vorbeugen.
In diesem Sinne können Nahrungsergänzungsmittel durchaus einem medizinischen Zweck dienen, auch wenn es sich offiziell nicht um Arzneimittel, sondern um Lebensmittel handelt. Dementsprechend findet man Nahrungsergänzungsmittel im Sortiment von Supermärkten und Drogerien, aber auch in Apotheken. Bei solchen „medizinischen“ Lebensmitteln stellt sich naturgemäß die Frage, ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt - insbesondere wenn es sich nicht um bloße Vitaminpillen, sondern um spezielle Präparate für bestimmte Erkrankungen oder Gesundheitsprobleme handelt.
Fall: zwingend benötigte Nahrungsergänzung wegen Histamin-Unverträglichkeit
Mit einem solchen Fall hatte sich das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zu befassen. Geklagt hatte eine 50jährige Frau aus dem Landkreis Osnabrück, nachdem ihre Krankenkasse die Kostenübernahme für ein Nahrungsergänzungsmittel abgelehnt hatte. Die Frau leidet an einer Histamin-Unverträglichkeit bei Lebensmitteln. Histamin kommt in bestimmten Käsesorten, Schinken, Salami und anderen Wurstsorten, eingelegten Fischkonserven, Sauerkraut, Rotwein, diversen Obstsorten, Hülsenfrüchten und etlichen weiteren Lebensmitteln vor. Die Unverträglichkeit äußert sich in Symptomen wie Herzrasen, Übelkeit, Schmerzen und Schwitzen.
Um dies zu verhindern, setzte die Frau regelmäßig DAOSiN-Kapseln ein. Das Nahrungsergänzungsmittel DAOSiN wird vom Pharmaunternehmen Stada hergestellt. Das Mittel enthält das Enzym DiAminOxidase (DAO) und ergänzt das körpereigene DAO-Enzym zum Abbau von Histamin im Darm. Die Frau hatte erklärt, dass ohne das Präparat eine angemessene Ernährung für sie kaum möglich sei. Sie benötige das Mittel zwingend, ansonsten sei sie mangels Arzneimittel-Alternativen medizinisch unterversorgt. Bei der Entscheidung des Gerichts dürften nicht nur rechtlich formale Gründe entscheiden, es müssten auch die besonderen Gegebenheiten ihres Falls berücksichtigt werden.
Preis und individuelle Bedarfslage begründen keine GKV-Leistungspflicht
Das Gericht sah das anders. Das Urteil (Urteil LSG Niedersachsen-Bremen v. 23. 12.2021 - Az.: L 16 KR 113/21) stellt auf die formale Seite des Falles ab. Nahrungsergänzungsmittel seien im Unterschied zu Arzneimitteln keine Leistung der GKV. Es handele sich rechtlich um Lebensmittel, für die es kein Zulassungsverfahren wie bei Medikamenten gebe. Die Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses schließe ausdrücklich „Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, sogenannte Krankenkost und diätetische Lebensmittel…“ (§ 6 Satz 1 Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL) von der Versorgung im Rahmen der GKV aus. Ausnahmen gelten nur für eine - im vorliegenden Fall nicht gegebene - medizinisch notwendige bilanzierte Diät zur enteralen Ernährung.
Eine Einzelfallprüfung bei Nahrungsergänzungsmitteln sei gemäß Arzneimittel-Richtlinie nicht vorgesehen und könne daher hier auch nicht geltend gemacht werden. Die Kosten des Präparats und die damit verbundenen wirtschaftlichen Belastungen für die Klägerin könnten ebenso wenig eine Rolle bei der Entscheidung spielen. Die persönliche Bedarfslage und der Preis hätten keinen Einfluss auf die rechtliche Einstufung eines Nahrungsergänzungsmittels als Lebensmittel. Hier bestehe eindeutig keine GKV-Leistungspflicht.
Das Gericht bestätigte damit ein gleichlautendes Urteil des Sozialgerichts Osnabrücks in der Vorinstanz. Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist rechtskräftig.