Bis zu 2.000 Euro - Ökonom Raffelhüschen plädiert für mehr Selbstbeteiligung bei Kassenpatienten

News-Artikel vom: 23.03.2023

Um die Finanzen des gesetzlichen Gesundheitssystems ist es nicht gut bestellt. Zwar wird das vonBundesgesundheitsminister Lauterbach auf den Weg gebrachte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in diesem Jahr wohl für eine einigermaßen ausgeglichene Einnahme-Ausgaben-Situation sorgen. Die Wirkung der Gesetzesmaßnahme reicht aber kaum über 2023 hinaus.

Schon im nächsten Jahr ist wieder mit einem großen Finanzloch zu rechnen. Und auch in den Folgejahren drohen klaffende Lücken. Der Grund dafür sind die deutlich steigenden Kosten durch medizinische Mehrleistungen und höhere Preise. Uwe Klemens, Vorsitzender des Ersatzkassenverbandes, rechnet für 2023 mit einem Kostenanstieg von fünf Prozent, im kommenden Jahr von vier Prozent. Die Einnahmen halten damit nicht Schritt, schon gar nicht in einem gesamtwirtschaftlich schwierigen Umfeld. Dier logische Konsequenz sind steigende Defizite, die immer wieder durch Maßnahmen der Politik ausgeglichen werden müssen.

 

Nachhaltige Finanzreform statt Löcherstopfen von Jahr zu Jahr

Das diesjährige Finanzstabilisierungsgesetz sieht einen Mix aus höheren Zusatzbeiträgen, Steuerzuschüssen, Sparmaßnahmen und Darlehensfinanzierungen zur Schließung der Deckungslücke vor. Es bietet aber keine strukturelle Lösung für die GKV-Finanzen. Damit setzt Lauterbach den Kurs seiner Vorgänger fort. Die Politik hangelt sich bei der Deckung des Finanzbedarfs der Krankenkassen von Jahr zu Jahr. Es bleibt beim notdürftigen „Löcherstopfen“, im Übrigen hofft man auf bessere Einnahmezeiten. Diese Hoffnung könnte sich jedoch als Illusion erweisen.

Die Stimmen, die eine nachhaltige Finanzreform für die GKV fordern, werden daher lauter. Auch an Vorschlägen mangelt es nicht. Eine Verstetigung und Dynamisierung der Bundeszuschüsse wird von der Krankenkassenseite selbst gefordert. Eine andere Forderung betrifft die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Medikamente. Einen weiteren Vorschlag hat jetzt der Ökonom Bernd Raffelhüschen in einem Zeitungsinterview eingebracht, der Kassenmitgliedern kaum gefallen dürfte.
 

Einkommensabhängige Selbstbeteiligung - Sanktionierung von riskantem Verhalten

Der Wirtschaftswissenschaftler fordert eine stärkere Selbstbeteiligung der Kassenpatienten an den Gesundheitsausgaben. Das bisherige System sei finanziell nicht mehr tragfähig und müsse grundlegend reformiert werden. Raffelhüschen denkt - über die Krankenkassenbeiträge hinaus - an eine Selbstbeteiligung von bis zu 2.000 Euro pro GKV-Mitglied und Jahr. Darüber hinaus sollten Versicherte mit riskantem Gesundheitsverhalten noch stärker zur Kasse gebeten werden. Wer als Skifahrer stürze und sich ein Bein breche, solle die Behandlungskosten komplett selbst tragen müssen. Auch Raucher müssten stärker an den Folgekosten ihres schädlichen Tabakkonsums beteiligt werden.

Raffelhüschen schlägt auch vor, dass die Krankenkassenleistungen künftig nicht mehr als Sachleistung erbracht werden. Hier soll nach seinen Vorstellungen ein ähnliches System wie in der PKV eingeführt werden. Der Kassenpatient erhielte demnach nach einer Behandlung eine Rechnung, die er an seine Krankenkasse zur Erstattung weiterreichen würde. Die Krankenkasse würde den von ihr zu leistenden Teil erstatten. Der verbleibende Rest wäre als Selbstbeteiligung aus eigener Tasche zu zahlen. Raffelhüschen spricht sich dabei für eine einkommensabhängige Staffelung der Selbstbeteiligung in einer Bandbreite von 1.500 Euro bis 2.000 Euro aus.
 

Konzept in der Nachfolge der Freiburger Schule

Der Antritt des Wirtschaftsprofessors ist klar. Die Einführung des Erstattungsprinzips und die Selbstbeteiligung sollen das „Kostenbewusstsein“ der Versicherten schärfen und zu einem weniger gesundheitsriskanten Verhalten motivieren. Die Krankenkassen könnten dadurch eine spürbare Kostenentlastung erfahren. Ob die Vorschläge bei Gesundheits- und Sozialpolitikern allerdings auf große Gegenliebe stoßen werden, darf bezweifelt werden.

Raffelhüschen ist seit 1995 Professor für Finanzwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er versteht sich als Vertreter der wirtschaftsliberalen „Freiburger Schule“ und ist in der Vergangenheit schon häufiger mit provokanten Thesen zur Finanzierung der Sozialversicherung in Deutschland an die Öffentlichkeit getreten. Er plädiert ausdrücklich für eine Steigerung der Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.

 

 

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