Krankengeld - faktischer Wegfall der Antragsfrist nach Einführung der eAU!

Wer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, hat bei längerer krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld. Der Anspruch beginnt nach sechs Wochen, wenn die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers endet. Bedingung ist, dass die Folge-Arbeitsunfähigkeit binnen 7 Tagen der Krankenkasse gemeldet wird oder eine entsprechende elektronische Datenübermittlung an die Krankenkasse erfolgt (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V).

Mit dem sogenannten Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) war bereits 2019 die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) beschlossen worden. Sie sollte zum 1. Januar 2021 den bisherigen „Gelben Schein“ ersetzen. Gleichzeitig wurde die Meldepflicht an die Krankenkasse vom Arbeitnehmer auf den Arzt verlegt. Die Krankenkassen sollten wiederum die Unterrichtung des Arbeitgebers übernehmen.
 

Mehrfach verschoben - die Einführung der eAU

Aufgrund von technischen Problemen mussten allerdings die eAU-Einführungstermine mehrfach verschoben werden. Die Verschiebung erfolgte zum Teil durch entsprechende Vereinbarungen der Verbände von Krankenkassen und Kassenärzten. Der Einführungstermin für die Mitteilung an die Krankenkassen wurde auf den 1. Oktober 2021 verlegt. Die elektronische Benachrichtigung der Arbeitgeber verschob man zunächst auf den 1. Juli 2022. Auch dieser Termin lässt sich inzwischen nicht mehr halten. Jetzt ist der 1. Januar 2023 vorgesehen. Trotz des Einführungstermins 1. Oktober 2021 für die elektronische Krankenkassenbenachrichtigung durch den Arzt verfügt auch jetzt noch längst nicht jede Arztpraxis über die technischen Voraussetzungen. In diesen Fällen kommt weiterhin ein papiergestütztes Ersatzverfahren zur Anwendung.
 

Termin-Agreement ohne Auswirkungen für Versicherte

Diese verwirrende Lage darf nicht zu Lasten der Versicherten gehen, entschied kürzlich das Sozialgericht Dresden (Urteil vom 19.1.2022 - AZ: S 45 KR 575/219). Es gilt das, was per Gesetz festgeschrieben ist. In dem Rechtstreit ging es um eine Auseinandersetzung zwischen einer Versicherten und ihrer Krankenkasse. Die Frau hatte im Januar 2021 ihre Krankenkasse verspätet - das heißt: nach Ablauf der 7 Tage-Frist - über Folge-Krankschreibungen informiert, daraufhin verweigerte die Krankenkasse einzelne Krankengeld-Leistungen. Dagegen klagte die Versicherte. Die Praxis ihres Arztes war zum Zeitpunkt der verspäteten Meldungen technisch noch nicht in der Lage gewesen, die Daten elektronisch an die Krankenkasse zu übermitteln.

Das Gericht gab der Klägerin Recht. Terminverschiebungen durch verbandliches Agreement dürften nicht zu Lasten der Versicherten gehen. Die getroffenen Vereinbarungen beträfen ausschließlich die beiden Seiten Kassenärzte und Krankenkassen. Sie hätten keine Wirkung für die Kassenmitglieder selbst. Für diese gelte die gesetzliche Regelung, wonach die eAU zum 1. Januar 2021 das alte Verfahren abgelöst habe. Dass diese wegen technischer Probleme faktisch nicht der Fall war, liege nicht im Verantwortungsbereich der Versicherten und dürfe daher nicht zu Nachteilen bei der Krankengeld-Zahlung führen. Mit dem Urteil ist die gesetzliche 7-Tage-Regelung praktisch obsolet.
 

Sprungrevision beim BSG zugelassen

Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Richterspruchs wurde nicht nur eine Revision beim Sächsischen Landessozialgericht in Chemnitz, sondern auch eine Sprungrevision beim Bundesozialgericht (BSG) zugelassen.

 

 

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