EZB-Zinswende - was bedeutet das für die Beiträge in der PKV?

News-Artikel vom: 08.09.2022

Ende Juli hat die EZB erstmals seit Jahren die Leitzinsen erhöht. Der Hauptrefinanzierungssatz stieg auf 0,5 Prozent, der Einlagensatz auf 0,0 Prozent, womit die Ära der Negativzinsen vorerst beendet scheint. Mit weiteren Zinsanhebungen - womöglich schon bald - wird gerechnet, um die dramatisch gestiegene Inflation zu bekämpfen.

Nachtrag: Zum 8.9. hat die EZB den Leitzins um weitere 0,75 Basispunkte angehoben. Der Leitzins beträgt nun aktuell 1,25%.

Man kann tatsächlich von einer Zinswende sprechen und nicht von einer vorübergehenden Maßnahme. Damit stellt sich die Frage möglicher Auswirkungen auf PKV-Beiträge. Diese werden von der Zinsentwicklung und den Finanzmärkten mit beeinflusst. Der PKV-Verband hat dazu ein Interview mit seinem Geschäftsführer und Chef-Mathematiker Holger Eich geführt. Wir geben die wichtigsten Aussagen wieder.
 

Höhere Kapitalerträge und der Aktuarielle Unternehmenszins (AUZ)

Höhere Zinsen wirken sich unmittelbar auf Kapitalanlagen der privaten Krankenversicherer aus. Sie bedeuten höhere Kapitalerträge. Das gilt allerdings nur für Neuanlagen. Bestehende Anlagen werden zu den jeweils geltenden Verzinsungen weitergeführt. Eine Umschichtung in besser verzinste Investments würde keinen Sinn machen, weil möglichen Zinsgewinnen Kursverluste beim Verkauf der Alt-Anlagen gegenüberstünden. Die Kapitalanlagen in der PKV-Branche sind maßgeblich durch die Altersrückstellungen geprägt. Sie machen aktuell über 310 Mrd. Euro aus.

Für die Rückstellungsbildung ist der sogenannte Aktuarielle Unternehmenszins (AUZ) eine wichtige Rechengröße. Der AUZ gibt an, mit welchen Erträgen ein PKV-Unternehmen künftig am Kapitalmarkt für seine Anlagen rechnet. Ein höherer Zins als der AUZ darf bei der Tarifkalkulation nicht zugrunde gelegt werden. Steigt der AUZ, ist das gleichbedeutend mit einem höheren erwarteten Anlageerfolg in der Zukunft. Das bewirkt zugleich eine Entlastung beim Beitragsanteil der Rückstellungsbildung. Es werden weniger Beiträge für die „Altersvorsorge“ in der PKV benötigt.
 

Auswirkungen erst im Zeitablauf stärker spürbar

Insofern hat die EZB-Zinsanhebung einen positiven Effekt. Allerdings wirkt sie sich zunächst nur bei den kurzfristigen Anlagen aus, die lediglich einen kleinen Teil der Investments ausmachen. Erst im Zeitablauf kommen Zinsänderungen stärker zum Tragen. Dazu müssen sie allerdings nachhaltig sein. Die Anhebung der EZB-Leitzinsen um einen halben Prozentpunkt wird daher bei den AUZ’s der Versicherer zunächst nur geringe Veränderungen bewirken. Holger Eich weist im Interview darauf hin, dass jeder PKV-Anbieter mit seinem eigenen AUZ rechnet, was unterschiedlichen Kapitalstrukturen und Anlagestrategien geschuldet ist.

In Vergangenheit haben sich die extrem niedrigen Zinsen sehr langsam bei den AUZ‘s bemerkbar gemacht. Trotz Null- und Negativzinsen konnten die Versicherer zuletzt noch eine Durchschnittsverzinsung von über 2 Prozent erzielen. Das war vor allem durch sehr langfristigen Anlagen möglich, die noch in besseren Zinszeiten begonnen worden waren. Entsprechend langsam werden auch wieder steigenden Zinsen zum Tragen kommen.
 

Frühestens 2024 ein Beitragsentlastungseffekt

Wer mit schnellen Beitragseffekten rechnet, wird sich daher gedulden müssen. Das gilt auch noch in anderer Hinsicht. Veränderte Anlageergebnisse sind in der PKV kein auslösender Faktor für Beitragsneukalkulationen. Erst wenn bestimmte Schwellenwerte bei der Einnahmen-Ausgaben-Entwicklung oder bei der Veränderung der durchschnittlichen Lebenserwartung überschritten sind, findet laut Gesetz eine Tarifneukalkulation statt. Dann - und nur dann - wird eine veränderte Zinssituation mit berücksichtigt. Hinzu kommt, dass es neben dem Entlastungsfaktor Zins auch Belastungsfaktoren gibt: Kostensteigerungen im Gesundheitswesen, Inflation, zunehmende Alterung der Gesellschaft usw.

Fazit: die positive Zinssituation wird sich frühestens im Jahr 2024 bemerkbar machen und es ist gut möglich, dass dies eher in Form geringerer Beitragsanpassungen nach oben als in Form von Beitragssenkungen geschieht.

 

 

ein kostenloses Angebot von:  
finanzen.de Vermittlungsgesellschaft für Verbraucherverträge AG 
Schlesische Str. 29-30, 10997 Berlin 
Telefon: 030 31986 1910 | E-Mail: kontakt@finanzen.de 
Bekannt aus