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Deutschland sei in punkto Digitalisierung im Gesundheitswesen ein Entwicklungsland, konstatierte Bundesgesundheitsminister Lauterbach bei einem seiner ersten Öffentlichkeits-Auftritte nach der Sommerpause. Gleichzeitig kündigte er an, diesen unbefriedigenden Zustand möglichst rasch ändern zu wollen. Eine Aufholjagd sei nötig. Dem E-Rezept und der elektronischen Patientenakte maß der Minister dabei Schlüsselrollen zu.
Ganz neu ist dieser Antritt nicht. Bereits im März dieses Jahres hatte Lauterbach seine Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen vorgestellt. Die Digitalisierung soll zur Prozessoptimierung in der Gesundheitsversorgung beitragen, für eine bessere Vernetzung der an Behandlungen Beteiligten sorgen und schnellere Abläufe bewirken. Folgende Ziele steuert die Strategie konkret an:
- bis 2025 sollen 80 Prozent der GKV-Versicherten eine elektronische Patientenakte besitzen;
- bis Ende 2025 sollen 80 Prozent der medikamentenbehandelten Versicherten mit elektronischer Patientenakte über eine digitale Medikationsübersicht verfügen;
- bis Ende 2026sollen im Rahmen des Forschungsdatenzentrums Gesundheit mindestens 300 Forschungsprojekte im Zusammenhang mit Gesundheitsdaten realisiert sein.
E-Rezept ab 2024 allgemeiner Standard
Das E-Rezept wird bereits zum 1. Januar 2024 zum verbindlichen Standard in der Arzneimittelversorgung. Ab diesem Zeitpunkt ist die elektronische Verschreibung von Arzneimitteln für die Kassenärzte Pflicht. Das E-Rezept gibt es zwar offiziell bereits seit Beginn dieses Jahres. Es startete aber zunächst mit erheblichen Schwierigkeiten. Seit 1. Juli kann das E-Rezept in vielen Apotheken auch mit der elektronischen Gesundheitskarte eingelöst werden. Bald soll das flächendeckend möglich sein.
Die Nutzung über die Gesundheitskarte soll dem E-Rezept den Durchbruch bringen. Der Minister geht davon aus, dass bisher bereits 2,4 Mio. E-Rezepte ausgestellt und eingelöst worden sind. Angesichts einer Gesamtzahl von rund 500 Mio. Rezepten pro Jahr ist das allerdings noch ein bescheidener Erfolg.
Nach wie vor verfügen etliche Arztpraxen noch nicht über die technischen Voraussetzungen für die elektronische Verschreibung. Dafür wird u.a. ein Konnektor benötigt - ein besonderer Router, der eine sichere Verbindung zur Datenautobahn des Gesundheitswesens herstellt und die Abspeicherung der Rezeptdaten auf einem zentralen Server ermöglicht. Von diesem werden die Daten dann bei der Rezepteinlösung abgerufen.
Rechtliche Grundlagen - Digital-Gesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz
Zwei Gesetze sollen die rechtlichen Grundlagen für die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie schaffen:
- das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz) : dieses Gesetzesvorhaben beschäftigt sich vordringlich mit der elektronischen Patientenakte. Eine wesentliche Neuregelung ist die sogenannte Opt-Out-Lösung. Nur wer seiner elektronischen Patientenakte ausdrücklich widerspricht, erhält sie nicht. Dieses Prinzip „Schweigen bedeutet automatisch Zustimmung“ ist nicht unumstritten. Es soll die Breiteneinführung der Patientenakte und die Erreichung des 80 Prozent-Ziels in 2025 unterstützen.
- das Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (Gesundheitsdatennutzungsgesetz): mit diesem Regelungsvorhaben soll eine bessere Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke möglich sein. Dazu ist u.a. eine dezentrale Gesundheitsdaten-Infrastruktur vorgesehen, die mit einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle verknüpft werden soll.
Anspruch und Wirklichkeit - die Geschichte der E-Patientenakte
Beide Gesetze plant der Minister noch im laufenden Jahr durch die parlamentarischen Beratungen zu bringen. Ob sie tatsächlich zu einer Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen führen, muss sich allerdings erst noch zeigen. Wie lange der Zeitraum zwischen Digitalisierungsabsicht und -realisierung sein kann, lässt sich gut an der Geschichte der elektronischen Patientenakte verfolgen.
Bereits 2004 - vor fast 20 Jahren - wurde die elektronische Gesundheitsakte als satzungsfähige Leistung in der GKV eingeführt. Praktisch tat sich in den folgenden zehn Jahren wenig. Dann folgte 2015 das E-Health-Geset z, das den digitalen Durchbruch bringen sollte - trotzdem kam die Digitalisierung nur sehr schleppend in Gang. Es wäre also nicht das erste Mal, wenn die selbst gesteckten Ziele verfehlt würden.