
Zum Jahreswechsel konnten sich GKV-Mitglieder zwar über die volle Parität in der Krankenversicherung und vielfach niedrigere Zusatzbeiträge freuen. Dafür sind die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung deutlich angehoben worden - um 0,5 Prozentpunkte. Seit dem 1. Januar 2019 beträgt der Beitragssatz 3,05 Prozent (3,30 Prozent für Kinderlose). Die letzten Beitragserhöhungen liegen dabei nicht einmal lange zurück. Bereits zum Jahresbeginn 2015 war der Pflegebeitrag auf 2,35 Prozent angehoben worden, 2017 dann auf 2,55 Prozent.
Einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung1 zufolge ist das längst nicht das Ende der Fahnenstange. Den Prognosen des Studienautors zufolge reicht der neue Beitragssatz nur aus, um die zu erwartenden Kostensteigerungen bis 2024 aufzufangen. Danach müssten ohne grundsätzliche Änderungen in der Pflegefinanzierung weitere Beitragsanhebungen erfolgen: 2025 zunächst auf 3,25 Prozent und danach schrittweise bis 2045 auf 4,25 Prozent. Auch bei diesem Beitragssatz wären längst nicht alle anfallenden Pflegekosten abgedeckt. Die Einnahmen würden lediglich ausreichen, um die gesetzlichen Leistungen der Pflegeversicherung „ohne Defizit“ zu finanzieren.
Ausgabenentwicklung von Anfang an dynamisch
Der überproportionale Kostenanstieg ist dabei keineswegs eine neue Entwicklung. Er begleitet die soziale Pflegeversicherung von Anfang an. Auch darauf macht die Studie aufmerksam. 2017 erhielten danach bereits 3,3 Mio. Menschen Pflegeleistungen - doppelt so viele wie noch 20 Jahre zuvor. Neben der demografischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung habe auch die schrittweise Ausweitung des Kreises der Leistungsempfänger zur höheren Zahl an Pflegefällen beigetragen. Die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung erreichten 2017 38,5 Mrd. Euro - mehr als zweieinhalbmal so viel wie 1997. Sie sind damit deutlich stärker gestiegen als die Ausgaben der GKV und der gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei war die Ausgabenentwicklung bis 2007 zunächst recht verhalten verlaufen, der schnelle Anstieg fand seither statt - unter anderem aufgrund diverser Pflegereformgesetze mit deutlichen Leistungsanhebungen und -ausweitungen.
Drei wesentliche Kostentreiber für die Zukunft
Für den Ausgabenanstieg in der Zukunft sieht die Studie drei Faktoren als maßgeblich an:
die demografische Entwicklung, die zu einer wachsenden Zahl an Pflegefällen führen werde. 2045 wird ceteris paribus mit rund fünf Mio. Pflegebedürftigen gerechnet - das bedeutet gegenüber heute eine Zunahme von mehr als 50 Prozent;
höhere Ausgaben werden auch durch die abnehmende Bedeutung der häuslichen Pflege durch Angehörige anfallen. Bereits zwischen 1997 und 2017 ist der Anteil der Pflegegeldempfänger von 56 auf 47 Prozent zurückgegangen. Der Trend hin zu professioneller Pflege zu Hause werde sich fortsetzen und ein zusätzlicher Kostentreiber sein;
ein weiterer Kostenfaktor ist der Studie zufolge die Dynamisierung der Pflegeleistungen, um das Pflegeniveau bei steigenden Preisen und Löhnen aufrechtzuerhalten. In ihrer Prognose orientiert sich die Untersuchung an der Entwicklung des nominalen BIP je Einwohner.
Dies alles berücksichtigt rechnet die Studie in 2045 mit Pflegeleistungen in Höhe von 144,9 Mrd. Euro - was fast eine Vervierfachung gegenüber 2017 und einen durchschnittlichen Kostenanstieg von 4,9 Prozent pro Jahr bedeuten würde. Um dies zu finanzieren, sei eine Erhöhung des Beitragssatzes bis auf 4,25 Prozent in 2045 nach bereits schrittweisen Erhöhungen vorher erforderlich.
Alternative Finanzierungsvorschläge gefragt
Angesichts der Beitragsprognose wird verstärkt über alternative Finanzierungsoptionen für die Zukunft der Pflege diskutiert. Bundesgesundheitsminister Spahn zeigte sich in einem Zeitungs-Interview offen für neue Finanzierungsmodelle. Die SPD brachte die Idee einer „Bürgerversicherung in der Pflege“ ins Spiel, in die auch Privatversicherte und Beamte einzahlen sollen. Der GKV-Verband plädiert für eine verstärkte Steuerfinanzierung über Bundeszuschüsse. Angesichts der zu erwartenden Entwicklung dürfte das Thema ein Dauerbrenner bleiben.
1 Bertelsmann- Stiftung: Perspektive Pflege - Beitragssatzprognose SPV, Finanzentwicklung der Sozialen Pflegeversicherung im rechtlichen Status quo bis 2045, Gütersloh (2019) (www.bertelsmann-stiftung…)