
Auf den ersten Blick scheinen die Zahlen beeindruckend. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der privaten Pflegezusatzversicherungen hierzulande mehr als verdoppelt. Stand Mitte 2018 gab es rund 2,74 Mio. Verträge. Dabei sind die ca. 850.000 staatlich geförderten - Stichwort: „Pflege-Bahr“ - Verträge noch nicht mitgerechnet.
Bezieht man diese Zahl auf die rund 69,25 Mio. Erwachsenen in Deutschland, hat allerdings nur etwa jeder zwanzigste Bundesbürger einen privaten Pflegezusatzschutz. Das ist nicht eben viel. Dabei ist durchaus Versicherungsbedarf gegeben. Denn die gesetzliche Pflegeversicherung bietet keine Kostendeckung. Sie ist von Anfang an nur als „Zuschussbetrieb“ angelegt gewesen. Daran hat sich trotz verbesserter Pflegeleistungen nichts geändert.
Immer mehr Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen
Besonders, wenn stationäre Pflege nötig wird, macht sich dies sehr oft finanziell schmerzlich bemerkbar. Nach einer Erhebung des PKV-Verbandes aus dem vergangenen Jahr betrug der von Pflegeheim-Bewohnern zu tragende Eigenanteil im Schnitt 1.831 Euro im Monat (Stand Juni 2018), acht Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dabei gibt es erhebliche regionale Unterschiede. Am „teuersten“ sind Pflegeheime in Nordrhein-Westfalen mit 2.326 Euro Eigenanteil im Schnitt. Steigende Personalkosten und andere Faktoren werden auch in Zukunft dazu beitragen, dass Pflegeplätze nicht billiger werden.
Ende 2017 waren bereits 440.000 Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen. Die Sozialämter leisten hier die sogenannte „Hilfe zur Pflege“. Die Zahl der Empfänger hat sich damit binnen zehn Jahren um 22 Prozent erhöht. Angesichts der wachsenden Zahl an Pflegefälle infolge steigender Lebenserwartung und der Verschiebung der Alterspyramide dürfte die Zahl der Hilfsbedürftigen in den kommenden Jahren weiter steigen, wenn keine stärkere private Vorsorge getroffen wird. 2030 wird mit 3,4 Mio. Pflegebedürftigen in Deutschland gerechnet, 2050 mit 4,5 Mio.. Das Risiko, pflegebedürftig zu werden, kann jeden treffen.
Neuabschlüsse bei Pflegezusatz-Policen rückläufig
Trotz dieser Situation und Perspektiven ist das Interesse an privater Pflegevorsorge eher verhalten. Die Zahl der Neuabschlüsse in der Pflegezusatzversicherung sinkt, der Bestand stagniert mehr oder weniger. Bezogen auf 2018 wurden bis zur Jahresmitte lediglich 8.025 neue Verträge abgeschlossen, bei den Pflege-Bahr-Policen waren es 15.000. Die Verbesserungen bei den Leistungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung mögen zu einer „falschen Sicherheit“ beigetragen haben. Vielfach wird der gesetzliche Pflegeschutz auch immer noch als Vollversicherung angesehen. Das ist ein Irrtum.
Zu diesem offenkundigen Desinteresse passt auch eine repräsentative Befragung der Continentale-Versicherung. In der Continentale-Studie 2018 „Absicherung von Risiken - Was Vermittler glauben und was Kunden wirklich meinen“ (1) wurden u.a. auch Einschätzungen von Verbrauchern zur privaten Pflegezusatzversicherung abgefragt.
Nur jeder Siebte hält privaten Pflegezusatzschutz für wichtig
Dabei gaben nur 15 Prozent der Teilnehmer an, dass ein privater Pflegezusatzschutz wichtig sei. Und von dieser Minderheit verfügte lediglich jeder zweite tatsächlich über eine Pflegezusatz-Police. Hauptgründe, trotz des Wissens um die Wichtigkeit auf den Versicherungsschutz zu verzichten, waren
- fehlende Informationen (52 Prozent);
- die Kosten der Versicherung sind finanziell nicht tragfähig (49 Prozent);
- Zeitmangel, um sich um die Absicherung zu kümmern (38 Prozent);
- Versicherungsschutz würde vom Versicherer wegen des persönlichen Pflegerisikos wahrscheinlich abgelehnt (20 Prozent).
85 Prozent der Befragten sagten, eine private Pflegezusatzversicherung sei für sie nicht wichtig. Begründet wurde dies wie folgt:
- Versicherung zahlt im Ernstfall sowieso nicht (49 Prozent);
- bei Pflegebedürftigkeit würden Angehörige helfen (43 Prozent);
- der gesetzliche Pflegeschutz ist ausreichend (36 Prozent);
- es bestehen andere Vorsorge-Versicherungen (25 Prozent);
- das Pflegerisiko betrifft mich persönlich nicht (24 Prozent);
- es ist genug Vermögen vorhanden, um Pflegekosten zu tragen (17 Prozent).
Noch viel Aufklärungsbedarf
Die Ergebnisse zeigen, dass offenbar noch viel Aufklärungsbedarf in puncto Pflegeversicherung besteht. Manche Antworten deuten auf grundlegende Fehleinschätzungen und sehr optimistische Erwartungen hin. Bei einer realistischeren Beurteilung spricht sehr viel für einen privaten Pflegezusatzschutz.
1) Continentale Krankenversicherung a.G.: Continentale-Studie 2018 Absicherung von Risiken – Was Vermittler glauben und was Kunden wirklich meinen. Eine repräsentative Kantar TNS-Bevölkerungsbefragung des Continentale Versicherungsverbundes. Dortmund, September 2018