
Ob Partner oder Elternteil. Wenn ein geliebter Mensch durch die Last des Alters schwer gezeichnet wird, ist es nicht leicht, sich an diese neuen Tatsachen zu gewöhnen. Doch es geht. Und man muss auch daran arbeiten, dem Menschen zuliebe.
Je länger man jemanden kennt, desto mehr gewöhnt man sich an ihn. Seine Art, seinen Charakter, sein ganzes Wesen. Und ganz gleich ob Pflegebedürftigkeit schleichend eintritt oder so plötzlich wie ein Blitz, es ist immer eine gewaltige Umstellung für alle Menschen, die den Betroffenen als bislang völlig andere Person kannten. Auf den folgenden Zeilen möchten wir Hilfestellung geben. Sowohl wie man mit solchen physischen wie psychischen Veränderungen zurechtkommt und auch, warum man nun alle Stärke zusammennehmen muss, die man hat.
Wenn es langsam kommt
Ein Vorteil in diesem Sinne, wenn man es so nennen will, ist die Tatsache, dass Pflegebedürftigkeit häufig sehr langsam kommt. Vorteil deshalb, weil es den Angehörigen die Möglichkeit gibt, sich darauf einzustellen, alle Schritte in die Wege zu leiten, um sich mental vorzubereiten. Bloß: Diese Langsamkeit führt auch leider oft zu zwei verschiedenen Problemen, die diesen Vorteil zunichtemachen:
- Es geschieht so langsam, dass nicht wirklich erkannt wird, dass sich eine Pflegebedürftigkeit anbahnt. Das ist zum Beispiel bei beginnender Demenz oft der Fall, die häufig nur als „Alters-Schusseligkeit“ abgetan wird.
- Es geschieht langsam und man erkennt es, vielleicht sogar, weil eine ärztliche Diagnose vorliegt. Doch man will die Situation nicht wahrhaben und ignoriert sie regelrecht.
Die zweite Reaktion ist zwar nur ein allzu menschliches Verhalten, weil uns unser Geist durch Verdrängen vor dem Unangenehmen schützen möchte. Doch es ist gleichzeitig auch sträflich. Denn dadurch vergibt man wertvolle Zeit, die man nutzen sollte, um alles vorzubereiten. Man plant nicht für die kommende Phase, in der die Pflegebedürftigkeit wirklich akut wird und vergibt so wertvolle Wochen und Monate. Am Ende steht man vor einem Problem, denn durch das Ignorieren wird die Situation nicht besser. Bloß muss man dann mit der gleichen Hektik agieren als wäre die Pflegebedürftigkeit ganz plötzlich eingetreten.
Schon wenn man mit seinem Partner in ein gewisses Alter eintritt, zum Beispiel die Rente, ist es deshalb wichtig, sich klar zu machen, dass man nun, auch wenn man vielleicht noch bei bester Gesundheit ist, zumindest einem erhöhten Risiko unterworfen ist, pflegebedürftig zu werden. Das hat nichts mit Heraufbeschwören oder „den Teufel an die Wand malen“ zu tun, sondern einfach realistischer Weltanschauung, weil das Alter mehr nimmt als es gibt.
Und spätestens wenn klar ist, dass Partner oder Elternteil tatsächlich pflegebedürftig werden wird, ist es notwendig, sich seinen Ängsten aktiv zu stellen. Das kann durch Gespräche mit Ärzten geschehen oder dem Austausch mit anderen betroffenen Angehörigen in Internet-Foren. Zudem muss man sich gewahr werden, dass die Situation unabänderlich ist. Das ist zwar schwer, aber falsche Hoffnungen, die durch den Krankheitsverlauf immer wieder zunichte gemacht werden, tun noch sehr viel mehr weh.
Die Zeit sollte man auch nutzen, um sich mit der hochkomplexen Pflege-Thematik auseinanderzusetzen. Vielleicht können schon Anschaffungen oder Umbauten durchgeführt werden. Denn jetzt ist noch Zeit, dies in Ruhe durchzuführen.
Wenn es schnell kommt
Mitanzusehen, wie ein einstmals vitaler, geliebter Mensch physisch oder psychisch pflegebedürftig wird, ist niemals einfach. Doch wenn dieser Zustand praktisch „von heute auf morgen“ eintritt, etwa durch einen Unfall, einen Schlaganfall oder ähnliche Situationen, trifft es die Angehörigen meist noch härter. Auch das ist nur allzu menschlich, denn Überraschungen mag unser Gehirn gar nicht.
Gleichzeitig bedeutet die Geschwindigkeit, mit der sich die Ereignisse überschlagen, dass keine Zeit bleibt, sich sanft vorzubereiten und zu wappnen. Man wird sprichwörtlich ins kalte Wasser geworfen. Dabei ist zunächst einmal wichtig, zu wissen, dass man nicht alleine ist. Alle Pflege-Wege sind spätestens seit der Einführung des neuen Pflegestärkungsgesetzes genau geregelt. In Form der Kurzzeitpflege besteht eine effektive Versorgungs-Übergangslösung, mit der die Pflege auch dann in ambulanter oder stationärer Form gewährleistet ist, wenn vielleicht zuhause noch gar nichts vorbereitet ist, noch kein Pflegeplatz gefunden wurde und der Pflegerad gerade erst festgestellt wurde. Eine ähnliche Maßnahme steht als Verhinderungspflege auch für zukünftige Zwischenfälle in den Startlöchern. Es ist also zunächst für alles gesorgt.
Und auch wenn es hart klingt, jetzt steht der Betroffene selbst im Fokus. Das bedeutet, man muss also seine Ängste, die Unsicherheit nach hinten verdrängen. Das liest sich schwerer als es in der Praxis ist, denn dabei greift der gleiche Mechanismus, der schon weiter oben erwähnt wurde: Unser Hirn schützt sich selbst vor dem Unangenehmen durch Verdrängen.
Weitere Vorgehensweisen sind nun:
Auf das Beste hoffen, aber aufs Schlimmste gefasst sein
Sich falschen Hoffnungen hinzugeben, ist zwar wie erwähnt der falsche Weg. Nahe damit verwandt aber ungleich besser ist es jedoch, auf das Beste zu hoffen. Das bedeutet, dass man sich aktiv mit den behandelnden Medizinern kurzschließen sollte. Man sollte sich alle Facetten des Krankheitsverlaufs erklären lassen samt einer realistischen Einschätzung der Profis. Wunderheilungen gibt es zwar leider nicht, dafür aber immer die Chance auf einen milderen Krankheitsverlauf und darauf, dass der menschliche Körper selbst im hohen Alter oft überraschend hart im Nehmen ist.
Liebe geben, bedingungslos
Besonders Ehegatten, aber auch Lebensabschnittspartner sollten sich in solch harten Zeiten auch eines ins Gedächtnis rufen: Der Schwur „in guten wie in schlechten Tagen“. Ob er nun tatsächlich vor Standesbeamten oder Geistlichen geleistet wurde oder einfach durch eine vielleicht jahrzehntelange „wilde Ehe“ unausgesprochene Tatsache war, ist dabei zweitranging. Was ein pflegebedürftiger Mensch nun braucht, ist das absolut unerschütterliche Wissen, dass in seiner Welt, die ja nun auch für ihn völlig umgekrempelt wird, zumindest ein Mensch an seiner Seite ist, der ihn nach wie vor bedingungslos genau so liebt wie zuvor.
Es ist völlig normal, das die Last der Pflegebedürftigkeit in einem Wut hervorruft – auf beiden Seiten. Doch man selbst sollte sie herunterschlucken und buchstäblich aus Liebe nur Hoffnung nach außen ausstrahlen. Wenn einem tatsächlich mal „alles zu viel wird“, sollte man folgendermaßen handeln:
- Im Geiste langsam bis zwanzig zählen
- Die Augen schließen und mehrmals tief durchatmen
- Notfalls den Raum verlassen
Doch auch wenn es noch so hart ist: Niemals sollte man sich dazu hinreißen lassen, zu schreien oder gar körperlich zu werden. Pflegebedürftigkeit zehrt auch schon so genug an den Nerven, ohne dass man sich noch die garantiert danach eintretenden Schuldgefühle aufladen will.
Kraft tanken
Besonders Menschen, die zuvor sehr viel Zeit mit dem jetzt pflegebedürftigen Partner verbrachten, müssen nun lernen, umzudenken. Das bedeutet vor allem, dass man sich Beschäftigungen sucht, die einen von der mental und körperlich belastenden Pflege ablenken. Zwar ist es auch wichtig, sich mit Leidensgenossen auszutauschen. Doch sollte der Zustand des geliebten Menschen von nun an nicht das gesamte Leben bestimmen.
Das ist weder lapidar noch unfair dem Partner/Elternteil gegenüber, sondern sorgt einfach nur dafür, dass man selbst die nötige Energie und geistige Leistungs- und Leidensbereitschaft beibehält, um diese schwere Situation durchzustehen. Das hat auch nichts mit Egoismus zu tun. Im Gegenteil, wer lernt, sich zwischendurch auf neue Wege den Kraft-Tank aufzufüllen, sorgt letzten Endes auch dafür, dass er in besserer Form für den Pflegebedürftigen da sein kann.
Fazit
Allein aus psychologischer Sicht belastet das Eintreffen einer Pflegebedürftigkeit die unmittelbaren Angehörigen oft noch stärker als den Betroffenen selbst. Es ist niemals eine gute Situation, doch immer sollte man das absolut Beste daraus machen können. Vor allem dem Angehörigen zuliebe. Aber auch sich selbst.