Kieferorthopädie - vom Sinn und Unsinn von Zahnspangen

Die Meldung des Bundesgesundheitsministeriums sorgte für Aufsehen. In einem vom Ministerium in Auftrag gegebenen Gutachten wird festgestellt, dass es keine belastbaren Erkenntnisse zum Nutzen von Zahnspangen gibt. Dies überrascht angesichts der Tatsache, dass alleine die gesetzlichen Krankenkassen jedes Jahr gut eine Milliarde Euro für kieferorthopädische Behandlungen ausgeben.

Die Leistungen der privaten Krankenversicherer sind dabei nicht einmal berücksichtigt. Schätzungsweise trägt jeder zweite Jugendliche hierzulande über kürzere oder längere Zeit eine Zahnspange. In der Bundesrepublik gibt es rund 4.000 tätige Kieferorthopäden. Die Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung belaufen sich schnell auf einige tausend Euro.
 

Nichts Genaues weiß man nicht

Das Gutachten wurde vom IGES-Institut - einem unabhängigen Forschungs- und Beratungsinstitut für Gesundheits- und Infrastrukturfragen - erstellt. Die Untersuchung wertete dabei eine Vielzahl von vorhandenen Studien und Analysen zu kieferorthopädischen Leistungen aus. Die Erkenntnis daraus könnten man mit dem Karl Valentin zugeschriebenen Zitat „Nichts genaues weiß man nicht“ beschreiben. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die vorhandene Datengrundlage nicht ausreichend sei, um den Nutzen der Kieferorthopädie fundiert zu beurteilen. Von daher sei ein Nutzen nicht zu belegen, aber auch nicht auszuschließen.
 

Die Ergebnisse des IGES-Gutachtens im Überblick

Insgesamt lassen sich dem Gutachten zufolge folgende Aussagen treffen:

  1. Es gibt zu wenige Untersuchungen, um zu beurteilen, welche langfristigen Auswirkungen kieferorthopädische Behandlungen auf die Mundgesundheit haben.

  1. Es existiert zwar eine Vielzahl an Analysen und Studien zu Einzelaspekten der Kieferorthopädie. Das Material ist aber nicht geeignet, um die dem Gutachten zugrunde liegenden Fragen zu beantworten.

  1. Ein (objektiver) Patientennutzen von kieferorthopädischen Behandlungen lässt sich vor diesem Hintergrund nicht belegen, was nicht bedeutet, dass er nicht vorhanden ist. Als Grund für die fehlende Verwertbarkeit des Materials nennen die Gutachten-Autoren die Unterschiedlichkeit der Studien-Designs, die Heterogenität er untersuchten Populationen und nicht ausreichend lange Beobachtungszeiten in den einzelnen Untersuchungen.

  1. Ein subjektiver Patientennutzen sei durchaus feststellbar. Patienten mit einer abgeschlossenen Behandlung empfanden im Schnitt eine signifikant höhere Lebensqualität als solche ohne oder mit laufender Behandlung.

  1. Durch die Zahnspangen können bestehende Zahnfehlstellungen in der Regel verbessert werden.


Auswirkungen auf Leistungen der Krankenkassen?

Der GKV-Verband sieht aufgrund der Gutachten-Erkenntnisse und angesichts der hohen Ausgaben in diesem Bereich Handlungsbedarf für belastbare Studien. Es wird bereits überlegt, im Gemeinsamen Bundesausschuss die Nutzenbewertung kieferorthopädischer Leistungen zu beantragen. Das könnte ggf. über kurz oder lang Auswirkungen auf die Kostenübernahme für Kieferorthopädie durch die Krankenkassen haben.

In der GKV werden die Kosten für Kieferorthopädie in der Regel nur für Kinder und Jugendliche übernommen, wenn mit der Behandlung bis zum 18. Lebensjahr begonnen wurde. Das gilt allerdings nicht bei leichten Zahnanomalien (KIG 1 und 2). Bei Erwachsenen zahlt die GKV kieferorthopädische Leistungen höchstens in Ausnahmefällen. Es muss sich dann um besonders schwere Zahnfehlstellungen handeln.

Besser ist die Absicherung in der PKV. Hier wird die kieferorthopädische Behandlung oft zumindest anteilig übernommen. Dabei kommt es allerdings auf den jeweiligen Tarif an. Viele PKV-Versicherer bieten Zahnzusatztarife, die auch kieferorthopädische Leistungen umfassen. Dabei sind ebenfalls Altersbegrenzungen (18 oder 21 Jahre) üblich. Kieferorthopädie für Erwachsene im Rahmen von Zusatztarifen ist auch in der PKV schwer zu haben. 

 

 

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