GKV: Defizite bei der Hilfsmittelversorgung - Rückkehr zum alten System?

News-Artikel vom: 24.10.2022

Sonderbericht über die Qualität der Hilfsmittelversorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ - so lautet der Titel einer aktuellen Veröffentlichung des Bundesamtes für soziale Sicherung. Die bis 2019 unter dem Namen Bundesversicherungsamt bekannte Behörde übt die Rechtsaufsicht über die sogenannten bundesunmittelbaren Krankenkassen (im Wesentlichen Ersatzkassen und BKK’s) aus und ist u.a. für den Risikostrukturausgleich und den Gesundheitsfonds in der GKV zuständig.

Hilfsmittel sind bewegliche Gegenstände, die Behinderungen ausgleichen, einer Behinderung vorbeugen oder Kranke bei der erfolgreichen Behandlung unterstützen sollen. Gängige Hilfsmittel sind zum Beispiel Gehhilfen, Rollstühle, Rollatoren, Prothesen, Hör- und Sehhilfen, Einlagen oder Kompressionsstrümpfe. Gesetzlich Krankenversicherte haben einen Rechtsanspruch auf Hilfsmittelversorgung. Welche Hilfsmittel in welchem Umfang unter den Versorgungsanspruch fallen, regelt das vomGKV-Spitzenverband erstellte Hilfsmittelverzeichnis.
 

Über 32.000 Produkte im GKV-Hilfsmittelverzeichnis

Das Verzeichnis umfasst mehr als 2.500 Produktarten mit über 32.000 Produkten. Die Bandbreite reicht von A wie Absauggeräte bis Z wie Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel. 2020 haben die gesetzlichen Krankenkassen rund 9,3 Mrd. Euro für Hilfsmittel aufgewendet. Trotz dieses umfangreichen Katalogs und der Milliardenausgaben in diesem Bereich gibt es immer wieder Kritik an der Hilfsmittelversorgung. Beim mit am häufigsten benötigten Hilfsmittel Brille zahlen die Krankenkassen zum Beispiel nur im Ausnahmefall. Und bei vielen anderen Hilfsmitteln gibt es lediglich mehr oder weniger hohe Zuschüsse zu den tatsächlichen Kosten. Bezahlt wird sowieso nur das, was medizinisch notwendig ist. Darüber hinaus gehende Ausstattungen müssen Kassenpatienten durchweg selbst tragen.
 

Erhebliche Lücken bei Kassenverträgen mit Leistungserbringern

Mit dem Hilfsmittelverzeichnis an sich beschäftigt sich der Sonderbericht des Bundesamtes nicht. Dies bildet lediglich den Rahmen für die Untersuchung. Es geht mehr um die Versorgungsqualität und die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags, die Hilfsmittelversorgung bestmöglich zu organisieren. Die Krankenkassen sind verpflichtet, mit den Leistungserbringern für Hilfsmittel Verträge abzuschließen und die Vertragsinhalte gegenüber den Versicherten transparent zu machen.

Hier stellt der Bericht erhebliche Defizite fest. So verfüge längst nicht jede der beaufsichtigten Krankenkassen über eine ausreichende Anzahl an Verträgen. Der Bericht untersuchte die Vertragssituation in 38 ausgewählten Produktgruppen. Lediglich bei vier Produktgruppen (Bandagen, Inhalations- und Atemtherapiegeräte, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie) verfügten alle Krankenkassen über Verträge mit Leistungserbringern. In weiteren 11 Produktgruppen existierten immerhin bei den meisten Krankenkassen Verträge. Bei fünf Produktgruppen (Bestrahlungsgeräte, Kommunikationshilfen, Haarersatz, Epithesen, Armprothese) konnte dagegen kaum eine Krankenkasse einen Vertrag vorweisen. Lücken in der Vertragsabdeckung stellte das Bundesamt vor allem bei kleineren Krankenkassen fest.
 

Unzureichende Information, fehlende Qualitätsdaten, zu wenig Beratung

Weitere Defizite, die der Bericht aufdeckt:

  • nur die wenigsten Krankenkassen informieren die Versicherten angemessen über Vertragsinhalte, wie es eigentlich vorgesehen ist. Die Vergleichbarkeit der Leistungsangebote der Krankenkassen sei dadurch nachhaltig erschwert, so der Bericht;

  • viele Krankenkassen führen keine Auffälligkeits- und Stichprobenprüfungen zur Hilfsmittelversorgung durch. Für ein effektives Qualitätsmanagement fehle damit die Datengrundlage;

  • die Beratungsangebote zu Hilfsmitteln seien unzureichend. Wenn dann finde Beratung fast nur digital statt.


Für eine Rückkehr zum früheren Zulassungs- und Vertragsmodell

In der Bewertung der festgestellten Mängel kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass sich das auf Wettbewerb ausgerichtete Vertragsmodell in der Hilfsmittelversorgung nicht bewährt habe. Als (bessere) Alternative wird die Rückkehr zum früher bestehenden System mit landesweit einheitlichen Versorgungsverträgen und der Zulassung der Leistungserbringer per Verwaltungsakt vorgeschlagen. Dieses System bestand bis 2007 und wurde dann im Rahmen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes durch das Vertragsmodell abgelöst - eine Reform, die sich nach Ansicht des Bundesamtes nicht bewährt hat.

 

 

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