Während die Zinsen in den USA stetig steigen, hält die EZB nach wie vor unbeirrt an ihrer Nullzinspolitik fest. Glaubt man Mario Draghi, wird das bis mindestens Mitte nächsten Jahres so bleiben. Auch wenn der Zinsdruck nach oben aus den Vereinigten Staaten größer wird, es gibt in Europa gewichtige Gründe, an niedrigen Zinsen festzuhalten - zum Beispiel die hohe Verschuldung Italiens und anderer Länder der Euro-Zone.
Die anhaltend niedrigen Zinsen sind nicht nur für Sparer eine Last, sondern auch für die PKV. Denn die Krankenversicherer sind auf Zinserträge angewiesen. Das gilt vor allem mit Blick auf die Altersrückstellungen. Wenn die Zinsen weiter niedrig bleiben, müssen über kurz oder lang die Beiträge steigen, damit die Kalkulation mit den Rückstellungen weiterhin aufgeht. Allerdings ist der Zusammenhang komplex und es kommt auch auf die Situation des jeweiligen Versicherers an.
Altersrückstellungen sind zinsabhängig
Dass niedrige Zinsen zu steigenden Beiträgen führen, haben PKV-Versicherte schon zu spüren bekommen. Die Anfang 2017 auf breiter Front erfolgten Beitragserhöhungen hatten eine wichtige Ursache in der Zinssituation. Seither hat sich die Lage nicht grundlegend geändert. Doch welche Rolle spielen die Zinsen überhaupt bei den Altersrückstellungen?
Altersrückstellungen werden in der PKV gebildet, um den altersbedingten Beitragsanstieg abzufedern. Seit dem 1. Januar 2000 wird dafür bei Neuverträgen ein Zehn-Prozent-Beitragszuschlag erhoben. Die daraus erzielten Einnahmen werden am Kapitalmarkt angelegt, entsprechend findet eine Rückstellungsbildung auf der Passivseite der Bilanz statt. Bei der Dotierung der Rückstellungen wird mit einem Rechnungszins gearbeitet, der sich tendenziell an dem orientieren soll, was am Kapitalmarkt durchschnittlich erzielbar ist. Je höher der Rechnungszins ist, umso weniger Rückstellungen müssen gebildet werden - und umgekehrt.
Unternehmensabhängiger Rechnungszins sinkt
Über Jahrzehnte war der Rechnungszins bei 3,5 Prozent festgeschrieben, was über einen langen Zeitraum auch nicht im Widerspruch zur Kapitalmarktlage stand. Spätestens seit dem Einstieg der EZB in die Niedrigzinspolitik trifft dieser Zinssatz aber immer weniger die Realität, wie jeder Sparer aus eigener leidvoller Erfahrung weiß. Bereits vor einigen Jahren ist daher von der Deutschen Aktuarvereinigung eine Methodik für einen sogenannten unternehmensabhängigen Höchstrechnungszins (AUZ) entwickelt worden. Der AUZ wird nach einem bestimmten - hier nicht näher dazustellenden - Verfahren auf der Basis der laufenden Durchschnittsverzinsung und der Verzinsung für Neuanlagen ermittelt und ist dann als neuer - unternehmensindividueller - Rechnungszins anzuwenden, wenn er unter dem allgemeinen 3,5 Prozent-Satz liegt.
Das ist inzwischen branchenweit der Fall. Nach einer Untersuchung der Versicherungs-Rating-Agentur Assekurata ist 2017 der durchschnittliche unternehmensindividuelle Rechnungszins (duRZ) - der durchschnittliche Rechnungszins über alle Tarife eines Unternehmens - weiter gesunken. Bereits 2016 hatte er bei keinem PKV-Unternehmen mehr den alten 3,5 Prozent-Wert erreicht. Dabei zeigt sich durchaus eine erhebliche Bandbreite am Markt. Am besten hat sich danach die Allianz gehalten. Hier sank der duRZ von 3,46 Prozent (2016) auf 3,39 Prozent (2017) und liegt damit immer noch nahe bei 3,5 Prozent. Ebenfalls in diesem Umfeld bewegen sich SIGNAL IDUNA, uniVersa, HanseMerkur und Debeka. Am anderen Ende der Skala steht ENVIVAS mit einem duRZ von 2,10 Prozent (2017) nach 2,50 Prozent (2016).
Es kommt auf die finanzielle Substanz an
Eine Absenkung des Rechnungszinses bedeutet allerdings noch nicht automatisch den Zwang zur Beitragserhöhung. Es kommt zum Beispiel auch darauf an, in welchem Umfang sonstige Anlagebestände bestehen, die mit zur Bedienung der Altersrückstellungen eingesetzt werden können. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung zu - sog. RfB-Rückstellungen -, in denen oft erhebliche Mittel gebunden sind. Bei ihnen ist kein Rechnungszins zu berücksichtigen. Ob und wie die Zinssituation auf die Beiträge durchschlägt, hängt daher mehr denn je von der finanziellen Substanz eines PKV-Anbieters ab.