Das Wissenschaftliche Institut der PKV - kurz WIP - ist eine verbandsnahe, aber nichtsdestotrotz mit wissenschaftlichen Methoden arbeitende Institution. Seit einigen Jahren befasst sich das Institut in einer besonderen Analyse mit dem Nutzen, den Leistungserbringer im Gesundheitssystem von den Kostenerstattungen der privaten Krankenversicherer haben. Vor wenigen Tagen wurde der aktuelle Jahresbericht 2019 „Mehrumsatz und Leistungsausgaben von PKV-Versicherten“ veröffentlicht.
Der Bericht, der sich auf Zahlen aus dem Jahr 2017 und aus den Vorjahren bezieht, verdeutlicht einmal mehr, dass die PKV einen überproportionalen Beitrag zur Finanzierung des Gesundheitssystems leistet. Das ist vor allem durch bessere Abrechnungsmöglichkeiten bei Privatpatienten bedingt. Sie wirken wie ein höherer Preis für gleichartige Leistungen. Zum Teil können in der PKV auch Leistungen abgerechnet werden, für die die gesetzlichen Krankenkassen keine Kosten übernehmen, weil sie im Leistungskatalog der GKV gar nicht vorgesehen sind.
Mehrumsätze - in einer Dekade um 26 Prozent gestiegen
Auf 13,23 Mrd. Euro beziffert das WIP den Mehrumsatz für 2017, der durch die PKV ermöglicht wird. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um 226 Mio. Euro. Auf Zehnjahressicht beträgt das Plus 2,75 Mrd. Euro oder 26 Prozent. Anders ausgedrückt: die privaten Krankenversicherer und ihre Versicherungsnehmer bezuschussen das Gesundheitssystem jedes Jahr ein Stück ausgeprägter. Als Mehrumsatz bezeichnet das WIP die zusätzlichen Umsätze, die Ärzten, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen dadurch entstehen, dass medizinische Leistungen nach PKV-Standards und nicht nach Kassen-Standards abgerechnet werden.
Niedergelassene Ärzte und Zahnärzte profitieren
Besondere Nutznießer dieser unterschiedlichen Abrechnungen sind die niedergelassenen Ärzte. Im ambulant-ärztlichen Bereich macht der Mehrumsatz durch Privatpatienten 6,43 Mrd. Euro aus. Das ist fast die Hälfte des PKV-„Zuschusses“ zum Gesundheitssystem. Noch eine andere Zahl belegt dies. Fast ein Viertel der Einnahmen der Ärzte (23,2 Prozent) entfiel 2017 auf Privatpatienten, die machen aber nur 10,6 Prozent der Patienten insgesamt aus. Da Privatversicherte im Schnitt nicht kränker sind als Kassenpatienten, ist diese Disproportion vor allem auf unterschiedlich hohe Abrechnungen zurückzuführen.
Noch eine zweite Gruppe profitiert in besonderer Weise vom Abrechnungs-Dualismus: die Zahnärzte. Von den 4,92 Mrd. Euro Versicherungsleistungen der PKV für Zahnarztbehandlungen waren knapp 3,2 Mrd. Euro (oder fast 65 Prozent) Mehrumsätze. Dies ist in erster Linie den niedrigen Leistungs-Standards in der GKV bei Zahnmedizin geschuldet. Hier macht sich das wesentlich bessere Leistungsniveau in der PKV bemerkbar.
Überschaubare Mehrumsätze im Krankenhaus und bei Medikamenten
Deutlich geringer fällt der Mehrumsatz im stationären Bereich aus. Er betrug 2017 nur 687 Mio. Euro oder 6,9 Prozent der Versicherungsleistungen für Krankenhaus-Behandlungen von Privatpatienten. Der Grund ist: allgemeine Krankenhausleistungen werden in der PKV nach dem gleichen Vergütungssystem wie in der GKV abgerechnet. Der Mehrumsatz beruht primär auf Wahlleistungen (Einzel-, Zweibettzimmer, Chefarztbehandlung).
Ebenfalls überschaubar bleibt der Mehrumsatz bei Arznei- und Verbandsmitteln. Hier leistete die PKV 2017 5,62 Mrd. Euro, nach Kassen-Abrechnung wären es 4,67 Mrd. Euro gewesen. Damit beträgt der Mehrumsatz 951 Mio. €. In einer ähnlichen Größenordnung liegt der Mehrumsatz bei Heilmitteln – hier sind es 1,03 Mrd. Euro. Relativ gesehen macht er aber einen recht hohen Anteil von 58 Prozent aus. Das ist durch die vergleichsweise restriktiven Regelungen in der GKV bei Kostenübernahme für Heilmittel bedingt. Auch hier punktet die PKV mit einer großzügigeren Erstattung. Bei Hilfsmitteln erreichte der Mehrumsatz 1017 527 Mio. Euro.
Argument gegen die Bürgerversicherung
Die WIP-Analyse hat natürlich einen Zweck. Sie dient als Argument gegen Befürworter einer Bürgerversicherung. Denn mit deren Einführung würde die Abrechnung zwangsläufig vereinheitlicht. Es gäbe keine Mehrumsätze mehr – fragt sich, zu wessen Lasten das gehen würde: entweder müssten die Ärzteschaft und das Gesundheitssystem auf Mehrumsätze verzichten oder die Krankenkassen und damit letztlich die Beitragszahler würden höher belastet, um Umsatzverluste aufzufangen.