Vor wenigen Tagen hat der Bundestag das sogenannte Terminservice- und Versorgungsgesetz beschlossen - ein fast 200 Seiten umfassendes Regelungswerk, das gleichzeitig zu den Vorhaben gehört, die Bundesgesundheitsminister Spahn besonders am Herzen liegen. Manche sehen in dem Gesetz eine Art „Gesellenstück“ des Ministers nach ziemlich genau einem Jahr im Amt.
Allerdings macht sich Spahn mit seiner Reform nicht nur Freunde. Kritik kommt von verschiedenen Seiten. Doch aufhalten lässt sich das Vorhaben nicht mehr. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung durch den Bundesrat und wenn alle formalen Hürden genommen sind, dürfte es bereits im Mai in Kraft treten. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz kommt also. Doch was bedeutet es tatsächlich - hier ein Überblick.
Fünf wesentliche Reformbereiche
Alle Neuregelungen vorzustellen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Die Beschränkung auf das Wichtigste ist notwendig. Insgesamt betrifft das Gesetz ausschließlich GKV-Mitglieder und das System der gesetzlichen Krankenkassen. Man kann die Reform grob in fünf Bereiche unterteilen:
- Ausbau der Terminservicestellen
- Verpflichtung von Kassenärzten zu mehr Sprechstunden
- Verbesserung des Praxis- und Versorgungsangebots in unterversorgten Regionen
- Erweiterung des Leistungsumfangs der GKV
- Einführung der elektronischen Patientenakte bis 2021 als verbindliche Vorgabe.
Ausbau der Terminservicestellen
Das Leistungsangebot der bei den kassenärztlichen Vereinigungen angesiedelten Terminservicestellen wird ausgeweitet. Unter anderem sollen sie künftig rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche über eine bundesweit einheitliche Notdienstnummer erreichbar sein. Terminanfragen sollen auch online und per Smartphone-App möglich sein. Die Terminvermittlung wird auf Haus- und Kinderärzte ausgedehnt. Bei den Vermittlungswartezeiten werden einige Fristen verkürzt. Das Angebot muss bis zum 1.1.2020 stehen.
Mehr Sprechstundenangebote von Kassenärzten
Das Mindestsprechstundenangebot für gesetzlich Versicherte wird von bisher 20 Stunden auf 25 Stunden pro Woche erhöht. Bestimmte Gruppen von Fachärzten müssen mindestens fünf Stunden pro Woche als offene Sprechstunde anbieten. Die Ärzte halten Mehrvergütungen im Zusammenhang mit der Ausweitung von Sprechstunden und Terminvermittlung.
Abbau regionaler Versorgungslücken
Das Gesetz will zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung auf dem Lande beitragen. Hier bestehen oft Versorgungslücken. Zu diesem Zweck werden Krankenkassen verpflichtet, in unterversorgten Gebieten eigene Praxen einzurichten. Alternativ oder ergänzend sind auch mobile oder telemedizinische Angebote möglich, wenn zu wenig Ärzte „vor Ort“ sind. Es werden obligatorische regionale Zuschläge für Ärzte auf dem Land eingeführt. Außerdem werden die Länder ermächtigt, Zulassungssperren für ärztliche Niederlassung in ländlichen oder strukturschwachen Gebieten zu lockern bzw. ganz aufzuheben. Mehr GKV-Leistungen
Heilmittelerbringer (Physiotherapeuten, Masseure, Logopäden, Ergotherapeuten, Podologen) erhalten mehr Behandlungsautonomie und ihre Honorare werden angehoben. Die Versorgung mit Impfstoffen wird verbessert. Festzuschüsse für Zahnersatz steigen ab 2020 von 50 Prozent auf 60 Prozent. Weitere Verbesserungen betreffen die Kostenübernahme der Krankenkassen bei bestimmten Behandlungs-Maßnahmen.
Elektronische Patientenakte bis 2021
Die Einführung der elektronischen Patientenakte bis spätestens 2021 ist jetzt verpflichtende Vorgabe für die Krankenkassen. Seit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gab es hier über etliche Jahre kaum Fortschritte. Auch sonst sieht das Gesetz mehr Möglichkeiten für digitale Anwendungen im Gesundheitswesen vor. Das Bundesgesundheitsministerium übernimmt mit 51 Prozent die Mehrheit an der Gesellschaft für Telematik (Gematik) und hat daher künftig maßgebenden Einfluss bei der Weiterentwicklung der Telematik-Infrastruktur.
Teuer, Kurieren am System und machtbesessen
Angesichts der Vielzahl an Neuregelungen und Eingriffen durch das Gesetz verwundert es nicht, dass es nicht nur Lob hervorruft. Eine Kritik lautet, dass es viel Geld kostet - Geld, das letztlich die Versicherten über ihre Beiträge aufbringen müssten. Alleine die Honorar-Verbesserung für Heilmittelerbringer koste rund 600 Millionen Euro im Jahr. Ein Argument, das der Gesundheitsminister angesichts der gut gefüllten Kassen in der GKV nicht gelten lässt. Andere bemängeln, dass verbesserte Terminvermittlung und Sprechstundenangebot ein „Herumkurieren“ am System der Zwei-Klassen-Medizin sei, dessen Ungerechtigkeit mit viel Geld „zugekleistert“ werde. Aus dem Krankenkassenbereich wird insbesondere die „Machtübernahme“ durch den Bundesgesundheitsminister bei der Gematik als unzulässiger Eingriff in die Selbstverwaltung im Gesundheitssystem kritisiert. Die Umsetzung wird zeigen, was das Terminservice- und Versorgungsgesetz wirklich bringt.