Mit dem sogenannten Terminservice- und Versorgungsgesetz hat Bundesgesundheitsminister Spahn gerade ein schwieriges Gesetzgebungsvorhaben über die parlamentarischen Hürden gebracht. Doch das scheint den Minister noch nicht genug zu sein. In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt kündigt er jetzt gleich das nächste Vorhaben an - eine „Faire-Kassenwahl-Gesetz“.
Die Bezeichnung zeigt, worum es geht. Die Möglichkeiten von GKV-Mitgliedern, sich ihre Krankenkasse frei auszusuchen, sollen verbessert werden. Rein rechtlich gesehen kann zwar bereits heute jeder Kassenpatient zu einer anderen Krankenkasse zu wechseln, sofern die entsprechenden Regularien beachtet werden. In der Realität sind die Wahlalternativen aber begrenzt. Denn ein Wechsel ist entweder nur zu einer Krankenkasse möglich, die bundesweit geöffnet ist, oder zu einer Krankenkasse, die für die Region, in der der Patient wohnt, zugänglich ist. Dadurch ist das Auswahlspektrum de facto doch erheblich eingeschränkt.
Bundesweite Öffnung (fast) aller Krankenkassen
Bei den bundesweit geöffneten Krankenkassen konzentriert sich das Angebot überwiegend auf die sechs Ersatzkassen, wovon vier den „Löwenanteil“ ausmachen. Bundesweit geöffnet sind auch einige Betriebskrankenkassen (BKK). Es handelt sich aber um kleinere Unternehmen, die nicht sehr ins Gewicht fallen. Regional organisiert sind dagegen die AOK’s, die mit mehr als 26 Mio. Versicherten ein gutes Drittel der GKV-Mitglieder repräsentieren. Gerade in diesem Bereich will der Minister künftig für mehr Wahlfreiheit und damit letztlich auch für mehr Wettbewerb sorgen.
Das soll geschehen, indem die bisherige regionale Begrenzung bei der Mitgliederaufnahme aufgehoben wird. Ein GKV-Mitglied, das zum Beispiel in Hannover wohnt und bisher bei der AOK Niedersachsen versichert ist, könnte dann künftig auch zur AOK Bayern oder zu irgendeiner anderen AOK wechseln. Bisher stehen ihm nur die Ersatzkassen und einige BKKs offen. Grundsätzlich sollen Spahn Plänen zufolge alle Krankenkassen des gesetzlichen Systems bundesweit zugänglich sein. Eine Ausnahme soll nur für BKKs gelten, die betriebsgebunden sind.
Risikostrukturausgleich, Haftung und faire Werbung
Neben der bundesweiten Öffnung beabsichtigt der Bundesgesundheitsminister weitere Reformschritte:
- der Risikostrukturausgleich (RSA), der den Finanzausgleich unter den Krankenkassen regelt, soll neu gestaltet werden. Er basiert bisher auf einem begrenzten Spektrum an Krankheiten und ist insofern „unvollständig“. Künftig soll der RSA zu einem Vollmodell ausgebaut werden, das alle Krankheiten einbezieht. Außerdem soll beim RSA ein „regionaler Faktor“ eingeführt werden, der die regional unterschiedliche Verteilung von Risiken berücksichtigt.
- eine weitere geplante Maßnahme im RSA ist eine Vorsorgepauschale, die Krankenkassen dazu anreizen soll, mehr für die Nutzung von Vorsorge- und Impfangeboten durch ihre Mitglieder zu tun.
- beabsichtigt ist auch ein Risikopool, mit dem sich Krankenkassen besonders hohe Ausgaben für „Spezialbehandlungen“ einzelner Patienten teilen.
- ebenfalls neu geregelt werden soll die Haftung der Kassen untereinander. Bisher galt eine segmentbezogene gegenseitige Haftung (Ersatzassen für Ersatzkassen, BKKs für BKKs usw.). Künftigen sollen alle Krankenkassen - organisiert über den GKV-Verband - füreinander haften.
- es soll eine strengere Regulierung der Werbung von Krankenkassen geben. Insbesondere sind schärfere Sanktionen bei Werbeverstößen geplant