Viele Pflegekassen befinden sich derzeit in einer finanziell prekären Lage. Die Einnahmen durch Beiträge reichen nicht zur Finanzierung der Ausgaben und die Liquidität ist angespannt. Grund dafür sind erhebliche Mehrkosten und finanzielle Zusatzbelastungen im Zuge der Corona-Pandemie. Der noch amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn hat eine Mrd. Euro als kurzfristige Hilfe zur Schließung von finanziellen Löchern auf den Weg gebracht. Ob das reicht, daran zweifelt derGKV-Verband, der auch Interessenvertretung der Pflegekassen ist.
Der Finanzbedarf hängt vor allem mit dem sogenannten Pflege-Rettungsschirm zusammen. Der Rettungsschirm war im vergangenen Jahr eingeführt worden, um Corona-bedingte Mehrkosten und Einnahmeausfälle von Pflegeeinrichtungen auszugleichen. Ursprünglich bis zum 30. September 2021 befristet, ist der Rettungsschirm kürzlich in Teilen noch mal bis zum Jahresende verlängert worden. Die Maßnahme ist bisher ausschließlich aus Mitteln der Pflegekassen finanziert. Diese hatten sich bei Einführung der Maßnahme angesichts eines guten Rücklagenpolsters zuversichtlich gezeigt, die Mehrbelastung stemmen zu können.
Trotz Milliarden-Zuschuss Unterdeckung zu erwarten
Eine zu optimistische Annahme, wie inzwischen deutlich geworden ist. Die Pflegekassen müssen eine gesetzliche Mindestreserve von 1,5 Monatsausgaben vorhalten. Das ist ohne Hilfe vom Bund derzeit nicht möglich. Der GKV-Verband hat die bestehende Finanzierungslücke auf 2,1 Mrd. Euro beziffert. Die Milliarde vom Bund schafft erst mal eine gewisse Entlastung, reicht aber nicht aus, wie der GKV-Verband vorrechnet. Vor allem der November dürfte kritisch werden.
Im Dezember wird sich die Liquidität der Pflegekassen durch Mehreinnahmen wegen beitragspflichtiger Sonderzahlungen an Versicherte zwar wieder verbessern. Das Weihnachtsgeld für die Versicherten, 13. Monatsgehalt, Gratifikationen, Boni usw. bewirken dann zusätzliche Beitragseinnahmen. Die Lücke reduziert sich nach Schätzung des GKV-Verbandes dadurch auf 1,6 Mrd. Euro. Rechnet man die Spahn’sche Milliarde ab, bleiben trotzdem 600 Mio. Euro Unterdeckung.
Gesetzliche Verpflichtung zur Bezuschussung durch den Bund
Ob die Schließung dieser Lücke noch Aufgabe der amtierenden Bundesregierung oder einer neuen Koalition ist, wird sich zeigen. Auf jeden Fall kann sich niemand der Bezuschussung entziehen, wer auch immer regiert. Denn die bisherigen Regierungspartner haben noch im August eine gesetzlicheRegelung für den Finanzausgleich im Sozialgesetzbuch festgeschrieben. Dort heißt es:
„ Wenn der Mittelbestand der sozialen Pflegeversicherung aufgrund pandemiebedingter Mehrausgaben absehbar das gesetzliche Betriebsmittel- und Rücklagesoll der Pflegekassen zu unterschreiten droht, gewährt der Bundeshaushalt der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 2021 einen Zuschuss in erforderlicher Höhe (Bundeszuschuss). …“ (§ 153 Satz 1 SGB XI).
Die Regelung enthält auch eine Verordnungsermächtigung für den Gesundheitsminister, von der Spahn im Rahmen des Milliarden-Zuschusses bereits Gebrauch gemacht hat.
Zuschüsse auch über 2021 hinaus
Die Bezuschussung aus Mitteln des Bundeshaushalts wird nicht nur in diesem Jahr erfolgen. Zwar läuft der Pflege-Rettungsschirm zum Jahresende aus, damit auch die genannte Zuschussregelung. Ab dem kommenden Jahr wird es aber einen weiteren - voraussichtlich nicht nur einmaligen - Milliarden-Zuschuss für die Pflegekassen geben.
Er soll Maßnahmen zur Entlastung der Pflegeheimbewohner bei den Eigenanteilen und zur Verbesserung der Vergütung von Pflegekräften finanzieren. Wie bereits andere Sozialversicherungen ist damit auch die soziale Pflegeversicherung auf dem besten Weg zu einem „Zuschussbetrieb“ aus Steuermitteln.