In vielen Branchen stellt die Digitalisierung althergebrachte Geschäftsmodelle in Frage. Das gilt auch für die Versicherungsbranche - last but not least für die PKV. Es sorgte daher für Aufsehen als Mitte 2017 die erste rein digitale private Krankenvollversicherung in Deutschland an den Start ging. ottonova heißt das Start-up, das in der Münchner Ottostraße residiert.
Sein Angebot richtet sich an eine beschränkte Zielgruppe - technikaffine, meist jüngere Gutverdiener mit wenig Zeit für Krankenkassenabrechnungen. Daher wurde von vornherein nicht mit einem Massenansturm gerechnet. Dennoch fällt die Bilanz der ersten zweieinhalb Jahre - auch gemessen an den selbst gesteckten Zielen - eher ernüchternd aus. So attraktiv wie immer dargestellt scheint das digitale Angebot nicht zu sein. Zumindest bleibt noch einiges zu tun, bis sich das Geschäftsmodell trägt.
Bisher ein Verlustgeschäft
Bis Ende 2017 gewann ottonova zunächst eine „mittlere dreistellige Zahl an Kunden“, die im ersten halben Jahr der Geschäftstätigkeit gerade mal 31.000 Euro an Beiträgen zahlten. Heute spricht ottonova von „über 5.000 Kunden“. Die Beitragseinnahmen beliefen sich im vergangenen Jahr auf eine knappe Million Euro. Gemessen an der Gesamtzahl der Versicherten in der privaten Krankenvollversicherung von über 8,7 Mio. und jährlichen Beitragseinnahmen von über 37 Mrd. Euro in der Branche sind das Peanuts. Bisher konnte ottonova keinen messbaren Anteil am Krankenversicherungsgeschäft gewinnen.
Das versicherungstechnische Ergebnis belief sich im 2. Halbjahr 2017 auf -729.000 Euro. Im ersten vollen Geschäftsjahr 2018 waren es -1,5 Mio. Euro. Alleine die Abschlusskosten betrugen 2018 775.000 Euro. Personal- und Verwaltungskosten sowie weitere Aufwendungen waren da noch nicht mitgerechnet. „Die Verluste liegen im geplanten Bereich“, hieß es bei ottonova und man verwies auf einen für Verluste in den ersten Geschäftsjahren gebildeten Risikopuffer von acht Mio. Euro.
12.000 Versicherte für Gewinnschwelle gebraucht
Der wird vermutlich auch dieses Jahr herhalten müssen, denn das ursprünglich angestrebte Ziel, 2019 den Break-even-Punkt zu überschreiten, kann wohl nicht erreicht werden. ottonova wird auch dieses Jahr mit Verlusten arbeiten. Um einen Null-Gewinn zu erzielen, war 2017 mit mindestens 12.000 Versicherten kalkuliert worden. Es ist zu vermuten, dass ottonova davon noch ein ganzes Stück entfernt ist. Das mag auch am schmalen Angebot liegen.
2017 konnte man bei ottonova nur zwei Tarife vereinbaren: eine Krankheitskosten-Vollversicherung und eine Pflegepflichtversicherung. 2018 kam eine Krankenhaus- und eine Zahnzusatzversicherung hinzu, außerdem eine Krankenversicherung für Beihilfeberechtigte. Im Sommer diesen Jahres führte ottonova zwei weitere Premium-Tarife in der Krankenvollversicherung ein: „Business Class“ und „First Class“. So wächst das Angebot allmählich. Dennoch bleibt es im Vergleich zu anderen Versicherern schlank.
Investitionen in Marketing und Vertrieb
Mit dem Digitaldienstleister Blau Direkt und dem Vergleichsportal Check24 wurden inzwischen Vertriebspartnerschaften vereinbart. ottonova investiert auch in seine Markenbekanntheit. All dies soll weitere Kunden anlocken. Darüber hinaus wollen die Münchner ihr Konzept im Versicherungsbereich vermarkten. Dazu dient das Joint Venture Global Scale Solutions gemeinsam mit dem Softwareanbieter Global Side Group. Über diese Plattform werden Versicherungen digitale Lösungen zur Geschäftsprozess-Optimierung und für bessere Kundenerlebnisse angeboten. ottonova sieht sich unbeirrt auf Wachstumskurs.
60 Mio. Euro frisches Geld
Geldsorgen muss man sich trotz roter Zahlen erst einmal nicht machen. Gerade haben fünf Investoren in einer neuen Finanzierungsrunde 60 Mio. Euro an frischen Mitteln zugesagt. PKV-Marktführer Debeka, die Investmentgesellschaft btov sowie zwei Risikokapital-Gesellschaften des Holtzbrinck-Verlags bzw. des Haushaltsgeräte-Herstellers Vorwerk gehörten bereits zu den Finanziers der ersten Stunde. Neu im Bund ist SevenVentures, die Venture Capital-Gesellschaft von ProSiebenSat.1.
Das Geld soll bevorzugt in Vertriebs- und Marketingaktivitäten zur Verbreiterung der Kundenbasis fließen. Auch in technologische Entwicklungen wird weiter investiert, um den digitalen Vorsprung zu wahren. Zumindest sorgt die Finanzspritze dafür, dass man sich einen „langen Atem“ leisten kann.