In diesem Jahr haben viele PKV-Versicherte unerfreuliche Post von Ihrer Krankenversicherung erhalten. Nach Jahren relativer Beitragsstabilität steigen die Beiträge in etlichen Tarifen 2021 drastisch, die Gründe dafür sind vielschichtig. Eine wesentliche Ursache ist: der gesetzliche Anpassungsmechanismus bewirkt Beitragssprünge, wenn bestimmte Kostengrößen sich nachhaltig verändert haben.
Mancher Versicherte mag da wohl mit Hoffnung auf ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs schauen. Die Karlsruher Richter hatten sich in letzter Instanz mit der Klage eines AXA-Kunden zu befassen. Dieser hatte gegen Beitragserhöhungen in dem Tarif Ecora 1300 geklagt, weil diese mangelhaft begründet worden seien. In die gleiche Richtung zielte eine weitere Klage eines anderen AXA-Kunden gegen Beitragsanpassungen im Tarif El-Bonus.
Maßgebliche Gründe müssen genannt werden
Die Klagen stützten sich auf eine Passage im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zur Wirksamkeit von Prämienanpassungen bei privaten Krankenversicherungsverträgen. In § 203 Abs. 5 VVG heißt es:
„ Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen … werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.“
Die Richter erkannten in den vorliegenden Fällen die Begründung als unzureichend an. Konsequenz: die Beitragserhöhungen in den Jahren 2014, 2015 und 2016 sind unwirksam (BGH-Urteile vom 16. Dezember 2020 - Az.: IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19). Seither zu viel gezahlte Beiträge müssen erstattet werden.
Materielle und formale Voraussetzungen zu erfüllen
Die Entscheidung stellt den Höhepunkt in einer rechtlichen Auseinandersetzung dar, der die AXA bereits seit einigen Jahren beschäftigt. Den Ausgangspunkt bildeten Klagen, in denen die Zulässigkeit von Beitragserhöhungen wegen der fehlenden Unabhängigkeit des von der AXA eingeschalteten Treuhänders in Frage gestellt wurde. In dem ebenfalls durch mehrere Instanzen geführten Treuhänder-Streit konnte die Versicherung zunächst ein positives Ergebnis erzielen. Der BGH sahen hier eine zivilrechtliche Überprüfung der Treuhänder-Unabhängigkeit als unzulässig an, verwies aber auf die zivilrechtliche Zuständigkeit für die Überprüfung von Beitragserhöhungen wegen ihrer Rechtmäßigkeit. Dieser „Fingerzeig“ wurde in der Folge von den Klägern aufgenommen.
Ob Treuhänder-Unabhängigkeit oder Begründung - in beiden Punkten geht es nicht darum, dass eine Beitragsanpassung materiell nicht berechtigt gewesen wäre. Die Unzulässigkeit der Erhöhung wird aus der Verletzung von formalen Anforderungen hergeleitet. Das Karlsruher Spruch macht unmissverständlich klar, dass beides erfüllt sein muss: diematerielle Berechtigung und die f ormale Umsetzung.
Kein einfacher Weg zur Rückerstattung
Nicht nur die AXA hatte sich in der Vergangenheit bei der vorgeschriebenen Begründung auf allzu pauschale und standardisierte Angaben beschränkt, die den Richtern nicht ausreichen. Deshalb hat das Verfahren über den konkreten Rechtsstreit hinaus Bedeutung für die Branche. Auch andere Versicherer dürfen sich wohl auf Rückforderungen einstellen.
Allerdings: einfach ist der Weg zur Rückgängigmachung von Beitragserhöhungen nicht. Es reicht nämlich nicht einfach die Berufung auf das BGH-Urteil, das Recht muss in jedem einzelnen Fall erstritten werden. Selbst bei Erfolg ist die Rückabwicklung aufwändig und kann auch für den Versicherten mit Nachteilen verbunden sein. Die Versicherer dürften außerdem bei nächster Gelegenheit einen Ausgleich durch umso drastischere Beitragserhöhungen suchen, denn die materiellen Gründe für die Anpassung sind ja nicht obsolet.
Es ist auch nicht sicher, dass ein Rechtsstreit zum Erfolg führt, denn die Begründungspraxis war in der Vergangenheit durchaus unterschiedlich. „Angreifbar“ sind wohl vor allem die vor 2017 durchgeführten Anpassungen. Ab 2017 sind die Versicherer im Hinblick auf die laufenden Rechtsstreitigkeiten bereits von sich aus zu rechtlich besser fundierten Begründungen übergegangen. Das gilt erst Recht für die aktuellen Beitragsanpassungen. Hier dürfte aus Versichertensicht „wenig zu holen“ sein.