Bereits seit Monaten schaut die PKV-Branche argwöhnisch auf ein Verfahren, das in Potsdam geführt wird. Dabei geht es um die Rechtmäßigkeit von Beitragserhöhungen durch die AXA Krankenversicherung AG. Der Streit entzündet sich an der Unabhängigkeit des von der AXA beauftragten Treuhänders.
Jetzt musste die AXA bereits zum zweiten Mal eine herbe Niederlage vor Gericht einstecken. Das Landgericht Potsdam bestätigte ein früheres Urteil des Amtsgerichts am gleichen Ort (AZ: 6 S 80/16). Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen über die AXA hinaus haben, wenn sie auch von höchstrichterlicher Seite bestätigt wird.
Wann ein Treuhänder unabhängig ist
Den Hintergrund des Rechtstreits bilden die gesetzlichen Regelungen zu Beitragsanpassungen von privaten Krankenversicherern. Die PKV-Anbieter dürfen die Beiträge nicht einfach nach Gutdünken verändern, sondern sind dabei an Vorgaben gebunden. Zum einen müssen bestimmte auslösende Faktoren vorliegen, die eine Anpassung notwendig machen, zum anderen muss ein unabhängiger Treuhänder überprüfen und kontrollieren, ob die Berechnung der auslösenden Faktoren und der daraus folgenden Beitragsveränderung korrekt ist. Erst mit seiner Zustimmung kann die Anpassung tatsächlich wirksam werden.
In dem Potsdamer Rechtsstreit stand die Unabhängigkeit des AXA-Treuhänders im Mittelpunt des Verfahrens. In anderem Zusammenhang wird von Treuhändern gefordert, dass sie nicht mehr als 30 Prozent ihrer Einkünfte von einem Auftraggeber erhalten dürfen, um gegenüber diesem finanziell unabhängig zu sein. Bei dem AXA-Treuhänder bestand dagegen die Vermutung, dass er den ganz überwiegenden Teil seiner Einkünfte über AXA-Aufträge bezog. Ein Nachweis des Gegenteils wurde von dem Unternehmen weder in erster, noch in zweiter Instanz erbracht.
Rückerstattungen in Millionenhöhe?
Wegen der daraus resultierenden erheblichen Zweifel an der finanziellen Unabhängigkeit urteilten beide Instanzen, dass die formale Anforderung an die Beitragsanpassung: „Prüfung und Zustimmung durch einen unabhängigen Treuhänder“ bei dem in Frage stehenden Fall nicht erfüllt war. Die Beitragserhöhung, gegen die geklagt worden war, sei daher unzulässig gewesen und dem Kläger müssten zu viel gezahlte Beiträge erstattet werden. Es spielte dabei für die Richter keine Rolle, ob die Beitragsanpassung materiell berechtigt war oder nicht.
Die AXA strebt jetzt eine Klärung vor dem BGH an. Sollte dieser den Sachverhalt in gleicher Weise beurteilen, kämen auf das Unternehmen erhebliche Rückerstattungsforderungen zu. Bei der Klage ging es um eine 2012 erfolgte Beitragserhöhung. Dem Kläger wären dann alle zu viel gezahlten Beiträge seit 2011 inkl. Zinsen und Zinseszinsen zurückzuzahlen und er müsste weiterhin nur seinen alten Beitrag aus 2011 zahlen. Der Einzelfall mag verschmerzbar sein. Sollten aber Versicherungsnehmer auf breiter Front Rückforderungen geltend machen würden, kämen auf das Unternehmen Millionen-Zahlungen zu. Die AXA hat rund 800.000 PKV-Versicherte. Wenn über mehrere Jahre zu hohe Beiträge gezahlt wurden, summiert sich das schnell auf mehrere tausend Euro pro Kunde.
Unterstützung für die Branche von der BaFin
Betroffen ist nicht nur die AXA, auch bei andern PKV-Anbietern steht die Unabhängigkeit des Treuhänders in Frage. So sollen auch bei der DKV bereits etliche Verfahren deswegen anhängig sein und mehr als hundert Klagen gegen verschiedene Versicherer werden vorbereitet. Von daher überrascht es nicht, wenn die Branche dabei ist, eine Abwehrmauer gehen die drohende Klageflut zu bauen. Es wurden bereits mehrere Rechtsgutachten dazu in Auftrag gegeben. Die Argumentation der Gutachter geht dahin, dass die Zivilgerichtsbarkeit gar nicht für die Beurteilung der Unabhängigkeit von Treuhändern bei PKV-Anbietern zuständig sei, sondern die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die BaFin hatte bereits früher die AXA-Argumentation in dem Rechtsstreit unterstützt.